KÜNSTLICHE INTELLIGENZ Zwischen Rechnen , dem Unberechenbaren & einer Bohrmaschine
Von Wolfgang Heinen
New York Times , Frühstücksfernsehen , Stern , Spiegel , FAZ , Süddeutsche , Capital oder buchstäblich die Welt : Das Metathema Künstliche Intelligenz ( KI ) beherrscht die Medien wie kaum ein anderes . Und da das Ganze auch viel mit Bildern zu tun hat , ist es auch im Imaging- Kosmos aktuell der neue „ heiße …“ – du weißt schon . Wie in Deutschland üblich , überwiegen die Bedenken und Gefahren bezüglich künstlich intelligenter Technologien , ganze Berufe sehen sich ( nicht ganz grundlos ) in Gefahr und nachdem die Pandemie auch ethisch bezwungen scheint , kommt auch der Deutsche Ethikrat zurück an die Media-Front der Tagesschau und unzähliger Talkshows .
Was bedeutet KI aber tatsächlich für die Imaging-Branche ? Ich fasse die wichtigsten Dinge in persönlichen Thesen kurz zusammen :
� Glaube prinzipiell keinem Bildinhalt ( mehr ). � Eine Unterscheidung zwischen digitalen Kamera-Fotos und synthetischen Bildern ist nicht mehr möglich und damit obsolet . � Heute werden alle KI-Fotos ( noch ) aus vorhandenen Bilddaten generiert ( Vergangenheit ). � Morgen sind KI-Fotos das Ergebnis permanenter Jetztzeit-Netzwerke ( Gegenwart ). � Übermorgen können Bilder und Videos Szenen darstellen , die Zukünftiges darstellen . � Die Basis der Bildgenerierung werden ( Stand heute ) immer Rechenprozesse beziehungsweise Datensätze sein , daraus folgt : � Die Kreativität der Bildgenerierung von morgen ergibt sich aus der Lücke zwischen KI-Ergebnis und dem „ menschlichen Faktor “, bestehend aus Emotionalität , Non-Konformität und bewusster Anti- Logik – also einer intuitiven Unberechenbarkeit des Individuums . � Dies eröffnet immense Potenziale für neues künstlerisches Schaffen und bildschöpferische Berufe .
Wie das in der künstlerischen Praxis aussehen kann , zeigt aktuell eine wärmstens empfohlene Ausstellung im Kunstmuseum Bonn namens „ EXPECT THE UNEX- PECTED – Aktuelle Konzepte für Fotografie “. Welche neuen Bildwelten bringt KI und wie wirken sich aktuelle technologische Entwicklungen auf die künstlerische Fotografie aus ? Wer hat die Kontrolle , wer ist der / die Autor : in – Macher oder Computer-Programm ? Wer hat die Deutungshoheit – menschliche Augen oder Bilderkennungs-Algorithmen ? Was kann in den Spannungsfeldern Realität und Virtualität , Materialität und Immaterialität entstehen ? Passen unsere Ansprüche an Fotografie noch mit der Realität einer global vernetzten , fotografisch dominierten Lebenswirklichkeit zusammen , in der Deepfakes und Gesichtserkennung zum Alltag gehören ?
Das sind die zentralen Fragen der Ausstellung . Neben den gewohnten fotografischen Werkzeugen arbeiten die Künstler : innen mit neuen , fotografiebasierten Tools wie Photogrammetrie , 3D-Scanning , 3D-Druck , Augmented Reality , CGI und Machine Learning . Für die gezeigten Künstler : innen spielt sowohl die Erforschung der erweiterten Fotografie und ihrer exponentiell gesteigerten Möglichkeiten eine Rolle als auch die Frage nach der Auswirkung auf unser alltägliches Leben . Wie gesagt , Ausstellung und umfangreicher Katalog mit klugen Texten sind wirklich empfohlen .
Aus der Ausstellung im Kunstmuseum Bonn :
„ Baron Lanteigne , manipulation 3 , 2021 , video on screen , loop “
Einer der Fotografen , die schon vor Jahren und Jahrzehnten die Prinzipien der KI wie beispielsweise die Nutzung und Weiterverarbeitung „ fremder “ Fotografien , das vielfache Übereinanderkopieren von Porträts zu einem einzigen „ Mischbild “ oder die Transformation von Daten in Lichtspuren erfolgreich angewendet haben , ist Thomas Ruff , einer der höchst gehandelten Fotokünstler weltweit . In der Diskussion rund um KI wurde er gefragt , wo für ihn denn künstliche Intelligenz anfängt . Thomas Ruff : „ Bei mir fängt künstliche Intelligenz bei allen Geräten an , die komplizierter sind als eine Bohrmaschine .“ Das Leben kann manchmal so einfach sein .