Praxis
PHOTO KLASSIK
28
www.photoklassik.de
Praxis-Tipps für bessere
Analogaufnahmen
PhotoKlassik berichtet viermal im Jahr über die
Welt der analogen Fotografie. In den nächsten
Ausgaben von PhotoWeekly findest du an dieser
Stelle jeweils einen PhotoKlassik-Tipp.
Text & Fotos: Thomas Raatz (analoge-fotografie.net)
Folge 9 von 10: Langzeitbelichtungen oder –
wer ist Herr Schwarzschild?
Bei diesem Tipp für die analoge Fotografie geht
es um Langzeitbelichtungen. Hier tritt nämlich
ein bemerkenswerter Unterschied zwischen der di-
gitalen und analogen Fotografie auf Film auf. Ins-
besondere das Verhalten der Belichtung bei Belich-
tungszeiten, die länger als ca. eine Sekunde sind,
sollte genauer betrachtet werden:
Ein gewisser Herr Schwarzschild hatte näm-
lich irgendwann entdeckt, dass sich die Schwär-
zung (Belichtung) auf einem Film bei langen Belich-
tungszeiten (ab ca. einer Sekunde) zögerlich verhält.
Das bedeutet: Du musst bei Langzeitbelichtungen
manchmal noch länger belichten als eigentlich ge-
messen/ausgerechnet. Für alle Belichtungszeiten
schneller als 1 Sekunde trifft dies nicht zu.
Schwarzschild-
Faustregeln
1 Sek. > 2 Sek.
2 Sek. > 5 Sek.
4 Sek. > 11 Sek.
8 Sek. > 35 Sek.
15 Sek. > 75 Sek.
30 Sek. > 3 Min.
1 Min. > 6 Min.
Müsstest du also mit einem fotografischen Film
4 Sekunden belichten, dann solltest du dafür besser
gleich ganze 11 Sekunden veranschlagen! Hier greift
der Schwarzschild-Effekt!
In der digitalen Fotografie spielt dieser Effekt
überhaupt keine Rolle, wohl aber beim Belichten
von Schwarzweiß- oder Farbfilm. Und jetzt wird es
noch etwas komplizierter: Die Werte oben sind le-
diglich Richtwerte. Inwiefern dein benutzter Film
vom Schwarzschild-Effekt betroffen ist, musst du
aus dem Datenblatt entnehmen. Der Effekt wird üb-
rigens auch »Reziprozitätsgesetz« genannt.
Bei dieser Langzeitbelichtung nachts konnte nicht
einfach der Messwert des Handbelichtungsmessers
übernommen werden! Da jener weit über einer Se-
kunde lag (nämlich ca. 15 s), musste die Belichtung
aufgrund des Schwarzschild-Effektes deutlich ver-
längert werden (auf ca. 75 Sekunden). Versäumt
man dies, erhält man unterbelichtete Bilder. Bei die-
ser Nachtaufnahme erhielt ich jedoch durch
Berücksichtigung des Schwarzschildeffektes eine
Schattenzeichnung bis hinein ins dunkle Pflaster
im Vordergrund.
Unser Autor:
Thomas Raatz fotografiert seit dem Ende der 1990er-Jahre und
seitdem durchgehend analog: „Ich lege keinen Wert auf Nost-
algie und Dogma, sondern bin an einer gewissen mechanischen
Qualität interessiert und am fotografischen Original (am phy-
sischen Datenträger [dem Negativ] und am Handabzug), zudem
auch am qualitativ hochwertigen Digitalisieren (Scannen) eines
solchen. Ich habe in den letzten Jahren vieles ausprobiert und
sogar ein Studium im Bereich Fotografie absolviert.“
www.analoge-fotografie.net