Aktuell
EDITORIAL
02
Wolfgang Heinen
& Florian Schuster,
Herausgeber
Ein Frage der Brennweite
Überall auf der Welt werden nach und
nach die Corona-Regeln gelockert oder
zumindest darüber diskutiert. Klar ist: Wir
alle wollen wieder mehr Freiheit genießen
– dabei aber sicher keinen Rückfall zu al-
ten Infektionszahlen provozieren. Wie viel
Lockerung jetzt richtig ist, ob nun Markus
Söder, Armin Laschet oder Stephan Weil
Recht haben? Das wollen wir hier gar nicht
kommentieren. Wir haben da zwar eine
Meinung, aber ehrlich gesagt keine Ahnung,
sondern maximal ein gutes oder schlech-
tes Bauchgefühl. Ob allerdings, wie in
Georgia letzte Woche, mit als erstes auch
Tattoo-Studios öffnen sollten, nun ja ...
Im Mittelpunkt der Berichterstattung
über Social Distancing sehen wir immer
wieder Aufnahmen von scheinbar vol-
len Stränden, von viel zu dicht stehenden
Menschen, die vor
» Ab 300 mm sehen Geschäften warten.
Dabei fällt auf, dass
wir plötzlich eine
vor allem die Boule-
Menschenmasse. « vardpresse im Sinne
sich schnell verbrei-
tender Bilder, besonders über Social Media,
auf einen der ältesten Tricks der Fotogra-
fie zurückgreift: die lange Brennweite, die
das Bild verdichtet, sodass auch ordentlich
praktiziertes Social Distancing auf dem
Bild aussieht wie eine dichte Menschen-
menge. Oder der kalifornische Strand wie
sonst im Hochsommer – obwohl ein Bild
vom Helikopter aus der Luft zeigt, dass fast
alle Menschen sich nur in kleinen Grup-
pen mit weitem Abstand voneinander in
den Sand gesetzt haben. Ab 300 mm wird
daraus halt eine Menschenmasse.
So kommt uns Fotografen, die diesen
Effekt kennen und erklären können, im
Rahmen von Corona wenigstens im Priva-
ten eine ganz besondere Rolle zu: die der
Fact Checker, die Übertriebenes erkennen
– oder eben bestätigen, dass der Eindruck,
der entsteht, der richtige ist, zum Beispiel
bei Ikea in Köln letzten Samstag.
Viel Spaß beim Lesen & Fotografieren!