Aktuell
EDITORIAL
02
Wolfgang Heinen
& Florian Schuster,
Herausgeber
Die Kamera als
Geburtshelferin
Eigentlich hat man doch den Eindruck,
dass schon so ziemlich alles fotografiert
wurde. Sowohl technisch als auch kreativ
als auch ethisch sind viele Grenzen aus-
gelotet und in einigen Fällen auch über-
schritten worden. Aber trotzdem stoßen
wir immer wieder auf Bilder, bei denen wir
kurz innehalten und uns dann ein beherz-
tes „wie krass!“ über die Lippen kommt. So
einen Moment hatten wir neulich mal wie-
der, als ein Kollege uns Bilder schickte, die
die Geburt eines Babys zeigen. Und zwar
fotografiert von der
» Mit der Kamera im Mutter selbst.
Kreißsaal, um den
ersten Atemzug des
Babys festzuhalten. «
Eine kurze Inter-
net-Recherche
zeigte zwar, dass
sie damit nicht die
Allererste war. Aber
trotzdem: Wie krass! „Ich legte mein Kinn
an meine Brust, ich balancierte die Kame-
ra auf meinem Bauch, ich sah durch den
Sucher und fing an zu fotografieren“, be-
richtet Megan Mattiuzzo aus dem US-Bun-
desstaat New York. Ihr Ziel: Diesen einen
Moment festhalten – die ersten Atemzüge
ihres Sohnes. Auch wenn alle Freunde sie
„für verrückt erklärten“, zog sie ihren Plan
durch – nach zwölf Stunden Wehen. Tat-
sächlich sagt sie, das Fotografieren habe
ihr geholfen, weil es sie vom Schmerz der
letzten Wehen ablenkte. Zu was Fotografie
doch fähig ist ...
Und hat sich‘s gelohnt? Die Bilder sind in
der Tat intensiv. Aber ihren eigentlichen
Wert haben sie wohl nur für die stolzen
Eltern, die diesen Moment so festgehalten
haben wie kaum jemand zuvor. Dass die
Fotos so stark sind, liegt übrigens auch am
Licht: Denn Megan wäre nicht Vollblut-
Fotografin, wenn sie nicht das Kranken-
haus-Personal gebeten hätte, das Licht
hinten im Kreißsaal abzuschalten – so
konnte der Spot, der auf sie gerichtet war,
seine Kraft entfalten.
Vielleicht haben wir ja ein paar werdende
Eltern unter unseren Leserinnen und Le-
sern? Wir sind gespannt auf eure Bilder! ;-)
Viel Spaß beim Lesen & Fotografieren!