PhotoWeekly 10.04.2019 | Page 25

Technik AUSPROBIERT 25 Zurück in die Zukunft? Analoge Fotografie ist tot, hören wir von Laien immer wieder. Doch wer mit Film arbeitet, merkt schnell – die Zeitreise lohnt sich. Text & Praxisfotos: Ruben Schäfer Neulich am Nürburgring: Ich stehe an der Start-Ziel-Gera- den, es sind nur noch wenige Mi- nuten, bis es losgeht. Neben mir stehen zwei Kollegen – ihren Ge- sprächen nach fotografieren sie schon seit hundert Jahren an der Strecke, also mindestens. „Früher haben nur wenige Fotografen hier gearbeitet, das war damals ja noch echtes Handwerk“, sagt der eine. Sein Freund pflichtet ihm bei: „Heu- te können die ja alle nur noch digital, und die ha- ben alle Adobe. Früher musstest du fotogra- fieren können, heute gibt es Ad- obe!“. Ich sage nichts und fühle mich angesprochen. Denn ja, ich gebe es zu: Meine Bilder sind alle durch Lightroom (von Adobe, was sonst) gewandert und mal mehr, mal weniger bearbeitet. Mir ge- fällt das einfach besser. Trotzdem habe ich mir die Frage „Was hat das Ergebnis mit Fotografieren-Können zu tun?“ auch schon gestellt. Und die Lösung: Ich habe zu einem Langstreckenrennen eine analo- ge Kamera mit zwei Filmen mit- genommen. 48 Versuche also. „Früher musstest du fotografieren können, heute gibt es Adobe!“ Manuelles Fokus- sieren fällt er- staunlich leicht, eine leichte Un- schärfe gehört sowieso dazu. Bevor ich aber schreibe, wie es lief, hier ein Überblick über die Spielregeln, die ich erfüllt habe: Dabei war eine Canon AL-1, be- deutet analoges Kleinbild, manu- eller Fokus mit (unzuverlässiger) Fokushilfe und maximal 1/1.000 Verschlusszeit. Und ein vertikaler Schlitzverschluss, der mir leider noch Kopfzerbrechen bereitete. Aber dazu später mehr. Auf der Kamera hatte ich ge- nau ein Objektiv, ein 50 mm f/1.8. Keine Qualitätsoptik, aber ist ja eine Challenge. In der Kamera lag ein AGFAFOTO 200 Vista Plus mit 24 Bildern, den gibt es bei dm. Es ist vermut- lich nicht der beste Film aller Zeiten und für ISO 200 rauscht er amtlich. Jetzt aber ab an die Strecke, Kamera raus, erstes Foto gemacht und – Überraschung – man hat keine Ahnung, was da- raus geworden ist. Beim nächs- ten Mal schreibe ich auf, was ich fotografiert habe, sonst weiß man hinterher nichts mehr. Das satte KLACK bei jedem Auslösen und der Retro-Look rufen schnell neu- gierige Leute auf den Plan. Erstes Fazit des Tages: Wer Freunde fin- den will, nimmt eine analoge Ka- mera mit. Es kommt zudem ver- mehrt zu einem Phänomen, das ich bislang nicht kannte: Ich set- ze die Kamera an, schaue durch, und mache kein Foto. Dieses Ver- halten wird immer häufiger, je voller der Film wird. In Zeiten von 128-GB-Speicherkarten ist das sehr ungewohnt. Insbesondere in dunklen Situatio- nen fällt das star- ke Rauschen des Films auf. „Wer Freunde finden will, nimmt eine analoge Kamera mit  .“ Auch sogenannte „Mitzieher“ gehen mit Film und sehen weicher aus als die digitalen Versionen. Die Farben sind eine besondere Stärke von Film. Die Bilder sind alle- samt unbearbeitet. Schwierigkeiten gab es natür- lich auch: Das größte Problem ist der Verschluss. Er geht nur bis 1/1.000, an dem hellen Tag kann ich kaum offenblendig arbei- ten. Schlimmer aber: Die alte Ka- mera hat einen kleinen Defekt: Bei schnellen Verschlusszeiten sind der Verschluss, der von links nach rechts durchs Bild läuft, und der Spiegel, nicht rich- tig synchronisiert. Er- gebnis: Viele Bilder sind halb schwarz! Doof, dass man sowas erst sieht, wenn die Fotos fertig sind. Was übrigens so etwa 10 Tage dauert. Dazu ist die Belichtungsmessung schwer: Zwar hat die Kamera eine Art Schätzeisen an der Seite, das ist aber zum korrekten Mes- sen ähnlich aussagekräftig wie eine Sonnenuhr zum Rundenzei- ten-Stoppen. Hier hilft die digi- tal-Erfahrung dann doch. „Verschluss nur bis 1/1.000, am hellen Tag kann ich kaum offen- blendig arbeiten .“ Mein Fazit Wer Fotografie als Erlebnis begreift, der sollte sich mal an eine Filmkamera wagen. Ein ande- rer, minimalistischer Workflow, eine Menge inte- ressante Gespräche und viele Likes bei Insta- gram sind die Ergebnisse. Von dieser Erfahrung profitiert deine Fotografie auch weiterhin. Das Bildergebnis seht ihr oben. Von 48 Bildern kam bei 40 etwas heraus, bei jedem vierten hing der Verschluss. Was sagt ihr zu den Ergebnissen? Die Fotos sind übrigens eingescannt und unbearbei- tet. Also ganz ohne Adobe – so wie früher.