Technik
AUSPROBIERT
25
Zurück in die Zukunft?
Analoge Fotografie ist tot, hören wir von Laien
immer wieder. Doch wer mit Film arbeitet, merkt
schnell – die Zeitreise lohnt sich.
Text & Praxisfotos: Ruben Schäfer
Neulich am Nürburgring: Ich
stehe an der Start-Ziel-Gera-
den, es sind nur noch wenige Mi-
nuten, bis es losgeht. Neben mir
stehen zwei Kollegen – ihren Ge-
sprächen nach fotografieren sie
schon seit hundert Jahren an der
Strecke, also mindestens. „Früher
haben nur wenige Fotografen
hier gearbeitet, das war damals
ja noch echtes Handwerk“, sagt
der eine. Sein Freund
pflichtet ihm bei: „Heu-
te können die ja alle nur
noch digital, und die ha-
ben alle Adobe. Früher
musstest du fotogra-
fieren können, heute gibt es Ad-
obe!“. Ich sage nichts und fühle
mich angesprochen. Denn ja, ich
gebe es zu: Meine Bilder sind alle
durch Lightroom (von Adobe, was
sonst) gewandert und mal mehr,
mal weniger bearbeitet. Mir ge-
fällt das einfach besser.
Trotzdem habe ich mir die
Frage „Was hat das Ergebnis
mit Fotografieren-Können zu
tun?“ auch schon gestellt. Und
die Lösung: Ich habe zu einem
Langstreckenrennen eine analo-
ge Kamera mit zwei Filmen mit-
genommen. 48 Versuche also.
„Früher musstest du
fotografieren können,
heute gibt es Adobe!“
Manuelles Fokus-
sieren fällt er-
staunlich leicht,
eine leichte Un-
schärfe gehört
sowieso dazu.
Bevor ich aber schreibe, wie es
lief, hier ein Überblick über die
Spielregeln, die ich erfüllt habe:
Dabei war eine Canon AL-1, be-
deutet analoges Kleinbild, manu-
eller Fokus mit (unzuverlässiger)
Fokushilfe und maximal 1/1.000
Verschlusszeit. Und ein vertikaler
Schlitzverschluss, der mir leider
noch Kopfzerbrechen bereitete.
Aber dazu später mehr.
Auf der Kamera hatte ich ge-
nau ein Objektiv, ein 50 mm f/1.8.
Keine Qualitätsoptik, aber ist ja
eine Challenge. In der Kamera lag
ein AGFAFOTO 200 Vista Plus mit
24 Bildern, den gibt es
bei dm. Es ist vermut-
lich nicht der beste Film
aller Zeiten und für ISO
200 rauscht er amtlich.
Jetzt aber ab an die
Strecke, Kamera raus, erstes Foto
gemacht und – Überraschung –
man hat keine Ahnung, was da-
raus geworden ist. Beim nächs-
ten Mal schreibe ich auf, was ich
fotografiert habe, sonst weiß man
hinterher nichts mehr. Das satte
KLACK bei jedem Auslösen und
der Retro-Look rufen schnell neu-
gierige Leute auf den Plan. Erstes
Fazit des Tages: Wer Freunde fin-
den will, nimmt eine analoge Ka-
mera mit. Es kommt zudem ver-
mehrt zu einem Phänomen, das
ich bislang nicht kannte: Ich set-
ze die Kamera an, schaue durch,
und mache kein Foto. Dieses Ver-
halten wird immer häufiger, je
voller der Film wird. In Zeiten von
128-GB-Speicherkarten ist das
sehr ungewohnt.
Insbesondere in
dunklen Situatio-
nen fällt das star-
ke Rauschen des
Films auf.
„Wer Freunde finden
will, nimmt eine
analoge Kamera mit .“
Auch sogenannte
„Mitzieher“ gehen
mit Film und sehen
weicher aus als die
digitalen Versionen.
Die Farben sind
eine besondere
Stärke von Film.
Die Bilder sind alle-
samt unbearbeitet.
Schwierigkeiten gab es natür-
lich auch: Das größte Problem ist
der Verschluss. Er geht nur bis
1/1.000, an dem hellen Tag kann
ich kaum offenblendig arbei-
ten. Schlimmer aber: Die alte Ka-
mera hat einen kleinen Defekt:
Bei schnellen Verschlusszeiten
sind der Verschluss, der
von links nach rechts
durchs Bild läuft, und
der Spiegel, nicht rich-
tig synchronisiert. Er-
gebnis: Viele Bilder sind
halb schwarz! Doof, dass
man sowas erst sieht,
wenn die Fotos fertig sind. Was
übrigens so etwa 10 Tage dauert.
Dazu ist die Belichtungsmessung
schwer: Zwar hat die Kamera
eine Art Schätzeisen an der Seite,
das ist aber zum korrekten Mes-
sen ähnlich aussagekräftig wie
eine Sonnenuhr zum Rundenzei-
ten-Stoppen. Hier hilft die digi-
tal-Erfahrung dann doch.
„Verschluss nur bis
1/1.000, am hellen Tag
kann ich kaum offen-
blendig arbeiten .“
Mein Fazit
Wer Fotografie als Erlebnis begreift, der sollte
sich mal an eine Filmkamera wagen. Ein ande-
rer, minimalistischer Workflow, eine Menge inte-
ressante Gespräche und viele Likes bei Insta-
gram sind die Ergebnisse. Von dieser Erfahrung
profitiert deine Fotografie auch weiterhin. Das
Bildergebnis seht ihr oben. Von 48 Bildern kam
bei 40 etwas heraus, bei jedem vierten hing der
Verschluss. Was sagt ihr zu den Ergebnissen? Die
Fotos sind übrigens eingescannt und unbearbei-
tet. Also ganz ohne Adobe – so wie früher.