Indonesien ist ein bunter Mix aus Kulturen , Religionen und Inselwelten – Manolo Ty sprach mit uns über die Reise und sein jüngstes Buchprojekt „ Tropics & Traditions “.
Interview : Sarah Alexandra Fechler , Fotos : Manolo Ty
Für sein jüngstes Werk „ Tropics
& Traditions “ bereiste der Reportage- und Umweltfotograf Manolo Ty Indonesien . Diese Reise war ein wahres Abenteuer – voller fremder Kulturen , abgelegenen Inseln und Gefahren . Wir sprachen mit Manolo Ty über seine ursprüngliche Idee , das Projekt , das riesige wie vielseitige Land und die Hürden , die auch heute noch eine Reise in die Tropen mit sich bringen .
Ihr aktuelles Werk dreht sich um Indonesien . Warum gerade
ZUR PERSON
Manolo Ty wurde 1985 in Hagen geboren und ist für seine sozialdokumentarischen Fotografien und seine Porträts bekannt . Als Fotograf , Autor und Abenteurer besuchte er über 100 Länder .
� @ manoloty � manoloty . com dieses Land ?
Indonesien fasziniert mich seit meiner ersten Reise dorthin , die mittlerweile bestimmt schon 15 Jahre zurückliegt . Damals wie heute ist es ein riesiges , unbekanntes Land . Viele denken , sie kennen Indonesien , weil sie schon einmal auf Bali im Urlaub waren . Aber Indonesien kennt fast niemand . Dabei ist es das viert bevölkerungsreichste Land der Welt . Das Land bietet so vieles von dem , was man sich als Abenteurer nur wünschen kann : tausende entlegene Inseln , über 700 verschiedene Sprachen , indigene Völker , wilde Tiere – und sogar noch nicht-kontaktierte Völker . Und all das ist noch gar nicht umfänglich fotografisch abgedeckt . Das muss man sich vorstellen : Die Ausdehnung von Indonesien ist so weit wie von Berlin nach China . Und dann gibt es 17.500 Inseln und 300 Millionen Menschen . Das wollte ich irgendwie in einem Buch verpacken . Und da habe ich wahrscheinlich den ersten großen Fehler gemacht .
Steigender
Meeresspiegel : Eine Flutmauer aus Beton soll weitere Teile Jakartas vor dem Untergang bewahren .
Fragmente der Vergangenheit : Jugendliche treffen sich zum Sonnenuntergang am Fort Amsterdam auf Ambon .
Welchen Fehler ?
Ich war hungrig auf das Land . Und das ist kein guter Ansatz . Es ist vergleichbar damit , dass man nicht hungrig einkaufen gehen sollte . Ich wollte das ganze Land in einem Buch in Form eines Gesellschaftsporträts einfangen . Damals waren mir die schieren Ausmaße nicht bewusst – und mir war nicht klar , dass das Projekt so lange dauern würde . Auch weil man vor Ort nur sehr langsam vorankommt . Was zum Teil daran liegt , dass das Land einfach so vielfältig und so gigantisch ist .
Wo genau waren Sie vor Ort ?
Insgesamt habe ich 45.000 Kilometer zurückgelegt . Ich bin im Zickzack durch das Land . Ich war auf Sumatra , den Molukken , in Java , auf Bali , auf Sumba – auf einer ganzen Menge Inseln . Tatsächlich habe ich bis jetzt noch nicht versucht , die Reiseroute komplett zu rekonstruieren und alle Inseln zu notieren . Ich kann also gar nicht sagen , wie viele Inseln es genau waren – aber es waren viele , sehr viele .
Hat Sie eine Gegend überrascht ?
Ein gutes Beispiel dafür ist das letzte Kapitel im Buch . Da war ich auf den Mentawai-Inseln ( West-Sumatra ) bei einem Schamanen im Dschungel . Oder Sumba . Einfach wunderschön – aber auch eine Zeitreise . Ich war auf einem Festival namens Pasola , wo die Menschen einmal im Jahr aus den verschiedenen Dörfern zusammenkommen und ein Event haben , bei dem sie sich gegenseitig mit Speeren bewerfen . Je mehr Blut fließt , desto besser wird die Ernte . Ein sehr archaisches Erlebnis .
Und die Molukken . Die fand ich einfach extrem spannend . Das war früher das Zentrum des Gewürzhandels – und der Gewürzhandel war damals das , was heutzutage Gold ist . Alle haben versucht , einen Fuß in die Tür zu bekommen . Eine winzige Insel haben die Engländer dann mit den Niederländern getauscht – und dafür Manhattan bekommen . Man muss sich das mal vorstellen ! Das eine ist jetzt New York – das andere eine vergessene Insel im Nirgendwo . Das hört man von den Einheimischen vor Ort und denkt , das ist bestimmt eine urbane Legende . Dann recherchiert man und merkt : Das war wirklich so !
Ein einfaches Leben : Ein Fischer auf Pulau Papan flickt sein Fangnetz . Am Meeresboden darunter erkennt man allerhand Müll .
Mix der Religionen : Felsengräber in einer Felswand in
Lemo , umgeben von einer Ahnengalerie mit Tau Taus , die die Toten repräsentieren .
Wie ist das für Sie , als jemand der viel für den Umweltschutz gereist ist , zu sehen , wie die Natur verloren geht ? Da gab es Orte , wo ich dachte : Das hier könnte das Paradies auf Erden sein . Doch man sieht aufgerissene Landschaften und von Chemikalien verseuchte Pools . Das ist fotografisch erstmal ansprechend . Schöne Farben und Kontraste . Das ist bei den Bildern auch beabsichtigt , dass man die Zerstörung sieht in einer Art , die fast schon ästhetisch wirkt . Und dann anfängt darüber nachzudenken , was da eigentlich
gerade zu sehen ist . Das war ein Spagat für mich … Ausgangspunkt für dieses Buch war für mich , Leuchtturmprojekte für den Umweltschutz zu finden . Leute vorzustellen , die etwas dafür machen . Gefunden habe ich aber relativ wenige . Das hätte
„ Das ist bei den Bildern auch beabsichtigt , dass man die Zerstörung sieht in einer Art , die fast schon ästhetisch wirkt .“
das Land falsch dargestellt ; zu geschönt . Mir wurde klar , ich muss den Fokus für das Projekt anders setzen . Ich wollte beides zeigen : die Schönheit und die Diversität , die es dort gibt . Und eben auch was da passiert , was verloren geht . Im Buch ist beides zu sehen .
Die große Vielfalt hat mich überrascht , auch bei den Religionen . Ich muss an ein Bild im Buch denken , auf dem Figuren die Toten repräsentieren .
Das ist auf Sulawesi . Das sind tatsächlich Christen . Aber den Totenkult gab es schon länger , und der hat sich da mit reingemischt . Das ganze Leben dreht sich dort nur um den Tod . Alles wird darauf ausgerichtet , wie man einmal in den Tod geht – also für die Beerdigungszeremonie . Die leben auch teilweise noch mit ihren toten Verwandten zu Hause , weil sie noch nicht das Geld für eine große Beerdigung haben . Dafür wird alles angespart und zusammengetragen . Dazu gehört auch , dass man vor dem eigenen Grab eine Totenpuppe von sich hat . Wo wir schon bei Religionen sind : Man denkt ja immer , dass Indonesien ein rein muslimisches Land ist . 80 Prozent der Bevölkerung sind auch muslimisch – aber das beschränkt sich auf die meist besiedelten Gebiete . Eigentlich ist der ganze Osten des Landes christlich geprägt . Aber es gibt auch Animisten . Bali beispielsweise ist hinduistisch . Dazu kommen noch buddhistische Ecken . Mir war vorher gar nicht bewusst , wie viele Teile dieses Landes gar nichts mit dem Islam zu tun haben .
Fragmente der Vergangenheit : Jugendliche treffen sich zum Sonnenuntergang am Fort Amsterdam auf Ambon
Manolo Ty : Tropics & Traditions – Geschichten Indonesiens
Hardcover 23,5 x 30 cm 256 Seiten 60 Euro www . teneues . com