Seit mehr als zehn Jahren brennt Julia Beyer für die Polaroid-Fotografie . Für die Fotografin ist diese Art der Fotografie die ideale Form , ihre kreativen Ideen auszudrücken und festzuhalten . Im Interview erklärt sie uns die Faszination Polaroid .
Text : Dragana Mimic , alle Fotos : Julia Beyer
Deine Kreativität ist dein Aus-
ZUR PERSON :
Porträt : Joep Gottemaker
drucksmittel Nummer eins – egal , ob Musik oder Fotografie . Worin liegt für dich der Unterschied zwischen Musik und Fotografie ? Musik war seit meiner Kindheit immer mein wichtigstes kreatives Ventil . Angefangen mit klassischem Klavier- und Gitarrenunterricht , dann im Schulchor und -orchester, bis ich mit 16 meine erste Band hatte . Der bedeutendste Unterschied ist für mich , dass ich in der Musik immer in einem Bandgefüge unterwegs bin und man hier zwangsläufig Kompromisse machen muss . Kompromisse müssen nicht per se schlecht sein , aber ich genie-
Julia Beyer stürzte sich 2014 kopfüber in die Polaroid- und Filmfotografie . Angeheizt von ihrer ungezügelten Fantasie erschafft sie träumerische Porträts und surreale Stimmungen , die versetzt sind mit ihrem unstillbaren Fernweh und der Liebe für Musik .
ße es sehr , genau das in der Fotografie nicht machen zu müssen und meine Ideen so umsetzen zu können , wie ich es mir vorstelle . Ich empfinde auch die Feedback-Kultur des Publikums in der Fotografie als sehr viel respektvoller und wertschätzender .
„ Waiting For Paradise “
„ All We Have “
Was reizt dich besonders an der analogen Fotografie ?
Für mich ist die analoge Fotografie zum einen Entschleunigung für meinen hektischen Alltag , andererseits auch immer eine erholsame kurze Flucht aus der gerade in letzter Zeit oft deprimierenden Realität . Während eines Shootings bin ich meistens ganz in meiner eigenen Welt und konzentriere mich auf den Moment . Aufgrund der begrenzten Anzahl der Bilder auf einem Film überlege ich generell länger , ob ich etwas fotografiere oder nicht und mache mir mehr Gedanken um die Komposition . Ich merke , dass ich dadurch viel aufmerksamer durch die Welt gehe als früher und mir auch Kleinigkeiten ins Auge fallen . Dieses Gefühl mag ich sehr . Zudem ist ein analoges Bild , gerade ein Polaroid als natürliches Unikat , automatisch gefühlt deutlich wertvoller als die tausenden Digitalfotos auf der Festplatte .
Warum gefällt dir die Polaroid-Fotografie im Speziellen ?
An erster Stelle ist es für mich der spezielle
Charakter der Fotos . Polaroidfilm hat so eine weiche und verträumte Optik , die ich sehr liebe . Dadurch wird eine sanftere Ebene über das reale Bild gelegt . Darüber hinaus liegt es aber auch an der gewissen Unberechenbarkeit von Polaroidfilm , vor allem bei abgelaufenem Film . Der Prozess hat mich zu einer größeren Gelassenheit erzogen und mir ein besseres Bewusstsein dafür gegeben , schöne Momente mehr wertzuschätzen .
„ Into The Wild “
„ Find Us Where We ’ re Hiding “
Wie hat sich dein Stil entwickelt ?
Ich bin gar nicht sicher , ob ich meinen Stil tatsächlich schon gefunden habe , auch wenn ich oft höre , dass meine Bilder einen hohen Wiedererkennungswert haben . Ich glaube , dass so etwas auch immer irgendwie im Fluss ist . Wenn ich mich wiederhole , langweilt es mich irgendwann selbst . Anfangs habe ich eher Landschaften fotografiert , Stillleben oder mich selbst , in Ermangelung von Models . Irgendwann habe ich dann den Mut gefunden , auch mit
„ Ich habe das Gefühl , meine Bilder sind Botschaften meines Unterbewusstseins an mich selbst .“
Models zu arbeiten . Das macht auch sehr viel Spaß , in letzter Zeit fotografiere ich allerdings wieder lieber Landschaften oder mache Selbstporträts . Ich bin eigentlich sehr introvertiert , und manchmal laugt mich der Umgang mit Menschen auch aus . Ein roter Faden ist aber sicherlich , dass ich meistens versuche , die Szene vor mir nicht einfach so abzubilden , wie sie eben aussieht , sondern durch abgelaufenen Film oder Filter und Prismen eine verträumte und surreale Ebene über die Realität zu legen .
Welche Hilfsmittel nutzt du ?
Ich mag es eigentlich sehr , dass ich als Technik-Laie gar nicht viele Hilfsmittel brauche . An den meisten Polaroidkameras gibt es sowieso kaum Einstellmöglichkeiten und ich kann sehr intuitiv arbeiten . Ich nehme bei aufwendigeren Shootings maximal Reflektor , Stativ und Kabelauslöser mit – und natürlich eine Sammlung an Farbfiltern und Prismen , die ich sehr gerne benutze . Da probiere ich alles aus , was das Licht in irgendeiner Form bricht .
„ Desert Dream “
„ Phosphenes “
Was machst du mit deinen Fotos ? Wo zeigst du sie ?
Natürlich möchte ich meine Bilder gern der
Öffentlichkeit zeigen , daher scanne ich sie erst einmal ein . Ich bearbeite dabei die Bilder so wenig wie möglich und nehme nur leichte Anpassungen vor , wie die Entfernung von Staub oder Helligkeit / Kontrast , damit sie dem originalen Polaroid möglichst nah sind . Hauptsächlich lade ich sie dann bei Instagram hoch , auch wenn der Kanal durch seinen Algorithmus für Fotografen gefühlt immer uninteressanter wird . Ich nehme auch gerne an Gruppenausstellungen teil , wo dann Originale ausgestellt werden . Ich liebe es , meine Polaroids gedruckt zu sehen , daher freue ich mich immer , wenn sie im Rahmen von Büchern oder Magazinen gezeigt werden . Am schönsten ist es allerdings , wenn ich meine beiden Leidenschaften Musik und Fotografie verbinden und mit Musikern zusammenarbeiten kann . Meine Polaroids auf dem Cover einer Vinyl zu sehen , ist für mich das allerbeste Gefühl überhaupt .
Das ungekürzte Interview findest du in der neuesten Ausgabe der PhotoKlassik . Und wie immer alles Wissenswerte zum Thema analoge Fotografie : Kameras , Filme , Entwickler , Fotopapiere , fundiertes Dunkelkammer-Know-how , …