PhotoWeekly 17.07.2019 | Page 25

SEBASTIÃO SALGADO  25 Der Ruf des Goldes Sebastião Salgado erhält am 20. Oktober den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Berühmt wurde er mit „Gold“, das mit bisher unveröffentlichten Bildern in einer über Jahre hinweg erweiterten Neuausgabe nun erscheint. Alle Fotos: Interview Ein Gespräch zwischen Sebastião Salgado und Alan Riding Ein Jahrzehnt lang weckte die Serra Pelada Sehnsüchte nach dem legendären Goldland El Do- rado. Sie wurde zur weltgrößten Freiluftmine, in der unter un- menschlichsten Bedingungen rund 50.000 Goldgräber arbei- teten. Heute ist Brasiliens Gol- drausch nur noch Stoff für Legen- den, am Leben erhalten nur durch die Fotografien von Sebastião Salgado, dessen Bilder dazu bei- trugen, die Mine zu schließen. Sebastião Salgado setzte sich mit seinem alten Freund und frühe- ren Korrespondenten der New York Times, Alan Riding, zusam- men, um über „Gold“ zu sprechen. „Gold“ von Sebastião Salgado Erweiterte von Sebastião Salgado aktualisierte Neuausgabe Hardcover, 24,8 x 33 cm, 208 Seiten 50 Euro Ebenfalls erschie- nen als signierte und limitierte Collector‘s Edition und als Art Edition. Taschen Verlag Alan Riding: Serra Pelada war bereits einige Jahre in Betrieb, bevor du dort warst. Wieso bist du nicht früher hingegangen? Sebastião Salgado: Diese Mine wurde 1980 entdeckt, dem ersten Jahr, in dem Lélia und ich nach fast elf Jahren Exil nach Brasilien zurückkehren konnten, nachdem wir das Land während der Militärdiktatur aus politischen Gründen verlassen hatten. Die Mine interessierte mich, weil dort jeder Fotograf hinging, aber das Militärregime ließ mich nicht. Genauso lief das 1981, erneut 1982 und so weiter. Erst 1986 gab die Bundesregierung endlich die Kontrolle über die Mine auf und überließ sie einer Genossenschaft, die von den ursprünglichen Prospektoren gegründet worden war. Die erlaubten mir dann den Zutritt. „Bereits nach 20 Metern war ich vollkommen mit Schlamm be- deckt, ebenso meine Kameras.“ War es so, wie du es erwartet hattest? Die meisten Journalisten würden da nur einen Tag bleiben. Ich blieb über einen Monat. Als ich an der Mine ankam und in dieses Loch blickte, sah ich dann eine Masse von Menschen, die ohne irgend- welche Hilfsmittel mit der bloßen Hand gruben. Ich dachte, das kann nicht wahr sein! Das Geräusch der auf den Boden hämmernden Spitzhacken klang wie das Geräusch in den Seelen dieser Schürfer. Sie wa- ren zu Sklaven des Goldes geworden. Als du in Serra Pelada ankamst – was hielt man dort von diesem Außenseiter mit den blonden Haaren und dem Bart? Die Bergleute dachten, ich würde geschickt, um sie auszuspionieren. Nachdem ich also am Rand des Lochs angekommen war, hörten plötzlich alle mit der Arbeit auf und begannen, einen gewaltigen Lärm zu machen, indem sie auf ihre Äxte und Spa- ten klopften. Ich fing dann zu fotografieren an und stieg in die Mine hinunter, aber jeder, an dem ich vorbeikam, hieb mit einer Tüte voller Schlamm auf mich ein. Bereits nach 20 Metern war ich vollkom- men mit Schlamm bedeckt, ebenso meine Kameras. Ein Polizist sah mich und sagte: „Hey, Gringo, ich will deinen Pass sehen.“ Ich erwiderte, dass ich kei- nen Pass hätte, also legte er mir Handschellen an und zog mich brutal zur Seite. Als die Bergleute das sahen, wurde ihnen schlagartig klar, dass ich kein Agent sein konnte. Sofort begannen sie, den Poli- zisten durch Zwischenrufe zu belästigen. Der Typ brachte mich zu seinem Vorgesetzten, der sofort er- kannte, dass ich Brasilianer war. Er gab den Befehl, mich frei zu lassen. Als ich später in die Mine zu- rückkehrte, wurde ich jubelnd empfangen. Von dem Moment an war ich total akzeptiert. „Da viele Steine herumlagen, wurden einige Polizisten von den Bergmännern zu Tode gesteinigt.“ Die Polizeipräsenz war wahrscheinlich notwendig, aber verkomplizierte die Dinge auch. Es gab massive Spannungen. Manchmal wurden Bergmänner durch Polizisten getötet und da hier viele Steine herumlagen, wurden einige Polizisten zu Tode gesteinigt. Die Stimmung zwischen Schür- fern und Polizisten war stets sehr angespannt. Kannst du deinen typischen Tag in Serra Pelada beschreiben? Wenn jemand einen Film dreht, hat er ein fertiges Drehbuch und weiß in der Regel, was er jeden Tag zu tun hat. Als Fotograf ist dir zwar klar, wohin du gehst, aber du weißt nicht, was dich dort erwartet. Also ging ich mehrmals am Tag in der Mine rauf und runter. In dieser vordigitalen Zeit hast du mit Film gearbeitet. Wie hast du den vor dem Schlamm geschützt? Das war kein Problem. Wenn ich den Film wech- seln musste, dann habe ich das einfach gemacht. Ich hatte immer drei Leicas mit 28-, 35- und 60-Mil- limeter-Objektiven dabei. Die brauchte ich, da die Zoom-Objektive damals noch nicht so gut waren. Heute sind sie perfekt. Als wir uns 1980 zum ersten Mal in Mexiko begeg- net sind, hast du wie die meisten Fotografen mit Farbfilm gearbeitet. In Serra Pelada hast du dann Schwarzweiß-Film benutzt. Warum? Ich finde Farbfotos schwierig. Beim Entwickeln kommt zunächst immer ein bestimmtes Rot hier oder eine andere Farbe da zum Vorschein. Die- se Farbflecken sieht man stets als erstes, nicht die Persönlichkeit, den Ausdruck oder die Würde der Person. Schwarzweiß ist immer eine Abstraktion, und innerhalb dieser Abstraktion finde ich all die Grautöne, die eben nicht rein Schwarz oder Weiß sind. Diese Grautöne sind es, die mir die Konzen- tration auf ein Gesicht ermöglichen. Das vollständige Interview findest du hier.