Interview
NICK BRANDT
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„Der Mensch greift zu
sehr in die Natur ein!“
Nick Brandt spricht über den Einfluss der Corona-
krise auf seine künstlerische Arbeit, über die Aus-
wirkungen für die afrikanische Tierwelt und über
die Bedeutung seiner Kunst.
Nick
Nick Brandt
Dass Künstlerinnen und
Künstler ihre Stimme erhe-
ben, ist in der gegenwärtigen Si-
tuation von enormer Bedeutung.
Ihre Sichtweisen können kontro-
vers, anregend und konstruktiv
zugleich sein. Sie sind es, die in
ihren Werken die Gegenwart ver-
arbeiten und damit »Spuren auf
der Welt hinterlassen«. Eine neue
Serie von CAMERA WORK mit ex-
klusiven Interviews gibt Einblick
in ihre Gedankenwelt. Das voll-
ständige Interview sowie einen
Online Viewing Room von Nick
Brandt findest du hier.
Interview: camera work, Fotos: Nick Brandt
Zur Person:
Nick Brandt zählt
mit seinen klas-
sisch-erhabenen
Porträts der afri-
kanischen Tierwelt
und seinen konzep-
tuellen Serien zu
den einflussreichs-
ten Fotokünstlern
weltweit.
nickbrandt.com
Welche Auswirkungen hat die
Coronakrise auf die Tierwelt in Afrika?
Das ist ein gravierendes Problem. Niemand reist
derzeit nach Afrika. Dadurch wird die Tourismus-
branche gefährdet und viele Jobs gehen verloren.
Als Folge sind auch die Tiere gefährdet. Denn: Un-
ter Armutsbedingungen werden die Menschen dort
gezwungen, die Tiere zu töten, um sich davon zu er-
nähren. Andere wiederum machen daraus Geld. Die
aktuelle Situation ist also für beide Seiten ein De-
saster: für die Menschen und die Tiere dort. Selbst
wenn sich die Situation in einigen Monaten ent-
spannen sollte, so braucht es lange, bis der Touris-
mus wieder anläuft.
Wird die Coronakrise auch in deiner Kunst eine
Rolle spielen?
Ich bin mir sehr sicher, dass die komplexen Ursa-
chen von Corona innerhalb meiner Kunst aufgear-
beitet werden. Es ist ja bekannt, dass der Virus
seinen Ursprung auf Tiermärkten hatte – eine
verheerende Folge des Konsumverhaltens des
Menschen. China hatte angekündigt, diese Wild-
tiermärkte zeitweise zu schließen, aber bedauerli-
cherweise öffnen die ersten schon wieder. Das
Coronavirus ist ein Weckruf, und wir dürfen die-
sen nicht verschlafen. Der Mensch greift zu sehr
in die Natur ein: Wildern, Jagen, Verdrängung und
die Zerstörung der Artenvielfalt führen zu Krank-
heiten und neuen Viren. Wann werden die Men-
schen dies endlich begreifen?
„Cheetah and
Cubs“ 2003
„Elephant with Ex-
ploding Dust“ 2004
Vor 15 Jahren wurde auch »Elephant with Explo-
ding Dust« zum ersten Mal weltweit in der Galerie
CAMERA WORK vorgestellt. Wie hat sich dein
künstlerischer Ansatz mit der Zeit verändert?
Der Betrachter kann das ganz gut nachvollziehen.
Zu Beginn, also zwischen 2001 und 2010, habe ich
die Tiere Afrikas in einer einzigartigen Form por-
trätiert. Es war wie ein »Klagelied« an die großar-
tige, unberührte Natur.
„Ich habe die
Und: Ich habe die Tiere
mit der Würde, dem Re-
Tiere
mit
dem
spekt und der künstleri-
schen Herangehenswei- Respekt und der
se fotografiert, die bis
künstlerischen
dato nur der Porträtfo-
Herangehensweise
tografie beim Menschen
zugesprochen wurden.
fotografiert,
die
Im Jahr 2011 habe ich
bis dato nur der
mit diesem Ansatz ab-
geschlossen. Ich hat-
Porträtfotogra-
te Angst, mich zu wie-
fie beim Menschen
derholen. Zudem haben
viele Künstler weltweit
zugesprochen
den Versuch unternom-
wurden.“
men, mich zu kopieren
– das frustrierte mich.
Also begann ich, die Kontrolle über meine Kunst
wiederzuerlangen und, sehr wichtig, die zunehmen-
de Zerstörung der Tierwelt direkter zu thematisie-
ren. Aus dieser Idee entstanden die »Ranger with
Tusks«-Serie und die »Petrified Creatures«-Serie,
mit denen meine Trilogie »On This Earth, A Shadow
Falls Across the Ravaged Land« abgeschlossen wur-
de. Der darauffolgende »Inherit the Dust«-Zyklus be-
wegt sich im Bereich der inszenierten Fotografie
und verdeutlicht abermals die Zerstörung des Le-
bensraumes der Tiere in Afrika. Bis dahin unveröf-
fentlichte Porträts von Tieren wurden als lebensgro-
ße Tafeln in Landschaften installiert, die sie einst
bewohnen durften – es aber heute wegen des Ein-
griffs des Menschen in die Natur nicht mehr kön-
nen. Ich habe diese Art der kontrollierten Fotografie
lieben gelernt und konnte mich damit künstlerisch
stärker entfalten.
„Wasteland with
Elephant“ 2015
„Lion Before Storm
II“ 2006
Mit deiner Kunst hast du einen erheblichen Ein-
fluss auf die Lebensweise der Menschen. Bist du
dir dessen bewusst?
Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Ob ich es mir
wünsche, die Welt zum Besseren zu verändern? Na-
türlich! Aber letztlich versuche ich lediglich das
zu tun, was mich inspiriert und antreibt und damit
Menschen zum Nachdenken anzuregen. Was die
Auswirkungen davon sind, weiß ich nicht.
Das vollständige Interview sowie einen Online Viewing Room
von Nick Brandt findest du hier bei Camera Work.