PhotoWeekly 22.04.2020 | Page 28

Interview NICK BRANDT  28 „Der Mensch greift zu sehr in die Natur ein!“ Nick Brandt spricht über den Einfluss der Corona- krise auf seine künstlerische Arbeit, über die Aus- wirkungen für die afrikanische Tierwelt und über die Bedeutung seiner Kunst. Nick Nick Brandt Dass Künstlerinnen und Künstler ihre Stimme erhe- ben, ist in der gegenwärtigen Si- tuation von enormer Bedeutung. Ihre Sichtweisen können kontro- vers, anregend und konstruktiv zugleich sein. Sie sind es, die in ihren Werken die Gegenwart ver- arbeiten und damit »Spuren auf der Welt hinterlassen«. Eine neue Serie von CAMERA WORK mit ex- klusiven Interviews gibt Einblick in ihre Gedankenwelt. Das voll- ständige Interview sowie einen Online Viewing Room von Nick Brandt findest du hier. Interview: camera work, Fotos: Nick Brandt Zur Person: Nick Brandt zählt mit seinen klas- sisch-erhabenen Porträts der afri- kanischen Tierwelt und seinen konzep- tuellen Serien zu den einflussreichs- ten Fotokünstlern weltweit. nickbrandt.com Welche Auswirkungen hat die Coronakrise auf die Tierwelt in Afrika? Das ist ein gravierendes Problem. Niemand reist derzeit nach Afrika. Dadurch wird die Tourismus- branche gefährdet und viele Jobs gehen verloren. Als Folge sind auch die Tiere gefährdet. Denn: Un- ter Armutsbedingungen werden die Menschen dort gezwungen, die Tiere zu töten, um sich davon zu er- nähren. Andere wiederum machen daraus Geld. Die aktuelle Situation ist also für beide Seiten ein De- saster: für die Menschen und die Tiere dort. Selbst wenn sich die Situation in einigen Monaten ent- spannen sollte, so braucht es lange, bis der Touris- mus wieder anläuft. Wird die Coronakrise auch in deiner Kunst eine Rolle spielen? Ich bin mir sehr sicher, dass die komplexen Ursa- chen von Corona innerhalb meiner Kunst aufgear- beitet werden. Es ist ja bekannt, dass der Virus seinen Ursprung auf Tiermärkten hatte – eine verheerende Folge des Konsumverhaltens des Menschen. China hatte angekündigt, diese Wild- tiermärkte zeitweise zu schließen, aber bedauerli- cherweise öffnen die ersten schon wieder. Das Coronavirus ist ein Weckruf, und wir dürfen die- sen nicht verschlafen. Der Mensch greift zu sehr in die Natur ein: Wildern, Jagen, Verdrängung und die Zerstörung der Artenvielfalt führen zu Krank- heiten und neuen Viren. Wann werden die Men- schen dies endlich begreifen? „Cheetah and Cubs“ 2003 „Elephant with Ex- ploding Dust“ 2004 Vor 15 Jahren wurde auch »Elephant with Explo- ding Dust« zum ersten Mal weltweit in der Galerie CAMERA WORK vorgestellt. Wie hat sich dein künstlerischer Ansatz mit der Zeit verändert? Der Betrachter kann das ganz gut nachvollziehen. Zu Beginn, also zwischen 2001 und 2010, habe ich die Tiere Afrikas in einer einzigartigen Form por- trätiert. Es war wie ein »Klagelied« an die großar- tige, unberührte Natur. „Ich habe die Und: Ich habe die Tiere mit der Würde, dem Re- Tiere mit dem spekt und der künstleri- schen Herangehenswei- Respekt und der se fotografiert, die bis künstlerischen dato nur der Porträtfo- Herangehensweise tografie beim Menschen zugesprochen wurden. fotografiert, die Im Jahr 2011 habe ich bis dato nur der mit diesem Ansatz ab- geschlossen. Ich hat- Porträtfotogra- te Angst, mich zu wie- fie beim Menschen derholen. Zudem haben viele Künstler weltweit zugesprochen den Versuch unternom- wurden.“ men, mich zu kopieren – das frustrierte mich. Also begann ich, die Kontrolle über meine Kunst wiederzuerlangen und, sehr wichtig, die zunehmen- de Zerstörung der Tierwelt direkter zu thematisie- ren. Aus dieser Idee entstanden die »Ranger with Tusks«-Serie und die »Petrified Creatures«-Serie, mit denen meine Trilogie »On This Earth, A Shadow Falls Across the Ravaged Land« abgeschlossen wur- de. Der darauffolgende »Inherit the Dust«-Zyklus be- wegt sich im Bereich der inszenierten Fotografie und verdeutlicht abermals die Zerstörung des Le- bensraumes der Tiere in Afrika. Bis dahin unveröf- fentlichte Porträts von Tieren wurden als lebensgro- ße Tafeln in Landschaften installiert, die sie einst bewohnen durften – es aber heute wegen des Ein- griffs des Menschen in die Natur nicht mehr kön- nen. Ich habe diese Art der kontrollierten Fotografie lieben gelernt und konnte mich damit künstlerisch stärker entfalten. „Wasteland with Elephant“ 2015 „Lion Before Storm II“ 2006 Mit deiner Kunst hast du einen erheblichen Ein- fluss auf die Lebensweise der Menschen. Bist du dir dessen bewusst? Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Ob ich es mir wünsche, die Welt zum Besseren zu verändern? Na- türlich! Aber letztlich versuche ich lediglich das zu tun, was mich inspiriert und antreibt und damit Menschen zum Nachdenken anzuregen. Was die Auswirkungen davon sind, weiß ich nicht. Das vollständige Interview sowie einen Online Viewing Room von Nick Brandt findest du hier bei Camera Work.