PhotoWeekly 22.09.2021 | Page 21

Fotos : Florian Schuster

Special

BERLIN PHOTO WEEK 21

„ American Made “ Bruce Gilden

Leica präsentierte die speziell für die BERLIN PHOTO WEEK kuratierte Sonderausstellung „ American Made “ von Bruce Gilden . Karin Rehn Kaufmann , Art Directorin und Generalbevollmächtigte der Leica Galerien International hat mit dem bekannten Magnum-Fotografen gesprochen .

Fotos : Florian Schuster

� Bruce Gilden – Terry , Des Moines , Iowa , USA ( 2014 )

� Wie ist das Projekt „ American Made “ entstanden ? Ich habe ja mein ganzes Leben lang mit derselben Kamera , einer Leica M , fotografiert , aber in den letzten Jahren hatte ich das Gefühl , dass ich mich irgendwie wiederhole . Ich wollte etwas verändern und dachte schließlich : Wieso eigentlich nicht einmal Farbe und Mittelformat probieren ?

Es begann alles 2013 mit einem Foto von Juan ,

den ich an einer Bushaltestelle in Hialeh entdeckt und erstmalig mit der Leica S fotografiert habe . Als ich die Ergebnisse sah , war ich geradezu ekstatisch , und es kam mir wie gerufen , als mich das S-Magazin anrief und sie sich mit mir in London treffen woll-

„ Wenn ich auf die Leute zugehe , weil ich sie fotografieren will , dann mache ich das , weil sie mich wirklich interessieren .“

ten , wo ich mich gerade aufhielt . Ich fand ihren Ansatz gut . Sie wollten kein altes Material , sondern etwas Neues und mir eine ganze Ausgabe zur Verfügung stellen , in der ich eine Idee umsetzen konnte . „ American Made “, das ich für das S-Magazin fotografiert habe , ist quasi die Fortsetzung dieses neuen Ansatzes . Wir verständigten uns darauf , dass ich ausschließlich in den USA arbeiten und mich überwiegend auf Porträts konzentrieren würde . Später habe ich auch Halbporträts und Stillleben dazugenommen .

Wie findest du deine Protagonisten und wie überzeugst du sie ? Mich interessiert ja immer noch derselbe Typ Mensch . Früher habe ich aber mit den Leuten in der Regel nicht kommuniziert , wenn ich meine offensiven Schwarzweiß-Porträts gemacht habe . Heute spreche ich sie direkt an und frage um Erlaubnis . Die Leute , die ich für „ American Made “ porträtiert habe , haben alle Ja gesagt .

Wenn ich auf die Leute zugehe , weil ich sie fotografieren will , dann mache ich das , weil sie mich wirklich interessieren . Und die scheinen das zu spüren . Einige sind froh , dass sie überhaupt mal jemand zur Kenntnis nimmt und dass ich ein Foto von ihnen machen möchte . Sie erzählen mir ihre Geschichten , während ich fotografiere . Manchmal muss ich dabei ihr Gesicht anfassen , um es exakt zu positionieren . Da baut sich eine sehr enge , fast intime Beziehung auf .

� „ Dewayn , Des Moines , Iowa , USA ( 2014 )“ von Bruce Gilden

� „ Chris , Milwaukee , Wisconsin “ von Bruce Gilden

Du sagst ja immer : „ Je älter ich werde , desto dichter gehe ich ran .“ Was steckt dahinter ? Als ich mit dem Fotografieren begann , waren meine Bilder wie Bühnenbilder , auf die die Betrachter von außen schauten . Später , mit der Leica M in der einen und dem Blitz in der anderen Hand , ging ich dichter ran . Der Betrachter wurde dabei in gewisser Weise Teil der Handlung , konnte die Energie und Hektik der Stadt spüren . Meine heutigen Farbporträts funktionieren anders . Sie werden alle etwa aus derselben Entfernung aufgenommen , um das Bild visuell so stark wie möglich aufzuladen . Bei diesen monumentalen Nahaufnahmen wird vom Objekt eine derart starke Präsenz aufgebaut , dass sich der Betrachter ihr nicht entziehen kann . Es ist so , als ob man sich in diesem Moment gegenübersteht .

Und : Wenn man diesen Leuten nicht in die Augen sähe , wüsste man nicht , dass sie existieren . Überhaupt sind die Intensität ihres Blickes und diese vielen kleinen Details aus fotografischer Sicht von größter Bedeutung .

Wie hast du die speziellen Orte gefunden , an denen du die Bilder gemacht hast ? Ich habe nach Orten gesucht , an denen sich möglichst viele Leute tummeln , also bin ich auf die Landesmessen gefahren . Je mehr Leute an einem Ort , desto höher die Wahrscheinlichkeit , dass man die findet , die man fotografieren will .

Gibt es viele , die du fotografierenswert findest ? Machst du viele Bilder , wenn du einmal den richtigen Ort zum Fotografieren gefunden hast ? Ich mache nur wenige Bilder und ich sortiere gnadenlos aus , wobei ich bei der Auswahl der Leute sehr intuitiv vorgehe . Ich weiß sofort , wen ich fotografieren will . Die Leute , die ich auswähle , lassen sich in drei Kategorien einteilen : Kategorie 1 umfasst die Leute , die ein gutes Bild abgeben . In Kategorie 2 fallen die Leute , bei denen die Chance sehr groß ist , zu einem sehr guten Bild zu werden . In Kategorie 3 finden sich die sogenannten Killer . Sie sind sehr selten . Sie müssen eigentlich nichts machen , außer sich ablichten zu lassen .