Alle Fotos : Sebastian Lehner und hintergründigem Witz .
INTERVIEW SEBASTIAN LEHNER 34
„ Ich liebe die visuellen Ironien des Alltags .“
Sebastian Lehner
Sebastian Lehner arbeitet als DoP , Hochzeits- und Theaterfotograf . In seinen Urlauben aber fängt er mit seinen Leica Ms das Straßenleben New Yorks ein – und schafft Bilder von frappierender Nähe
Alle Fotos : Sebastian Lehner und hintergründigem Witz .
Interview : Peter Schuffelen , Fotos : Sebastian Lehner
Straßenfotografie lebt von Mehrdeutigkeiten , von Gleichzeitigkeiten und Zusammenhängen , die sich
oft erst auf den zweiten Blick offenbaren . Zu entdecken gibt es diese auch in den gewitzten und zuweilen doppelbödigen Wirklichkeitsausschnitten , die Sebastian Lehner regelmäßig aus den Straßenschluchten New Yorks mitbringt . „ Ich liebe diese kleinen visuellen Ironien des Alltags “, sagt Sebastian , „ und in New York , dieser verrückten Stadt mit ihren unzähligen Lebensentwürfen , findet man sie überall .“ New York sei das Eldorado für
ZUR PERSON
Sebastian Lehner (* 1992 ) absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Tourismuskaufmann , fand autodidaktisch zur Fotografie und ist seit 2018 Director of Photography bei einer Kreativagentur . Sebastian lebt in München .
� sebastianlehner . photography
Street-Fotografen . Sebastian ist ein Fotobesessener . In Berührung mit der Fotografie kam er durch seinen Vater ; lange fotografierte er mit dessen analoger Spiegelreflexkamera , zusammen entwickelten die beiden Filme in der Badewanne . Sebastian machte eine Ausbildung zum Tourismuskaufmann . Nebenbei fotografierte er Porträts , Hochzeiten , Konzerte , porträtierte Theater-Ensembles und baute seine fotografischen Fähigkeiten autodidaktisch aus .
Sebastian hat den entscheidenden Blick für Vieldeutigkeiten und kuriose Alltagssituationen .
Neben diskreten Snapshots macht der Münchner immer wieder gezielte Porträts der New Yorker .
2018 wurde eine junge Kreativ agentur auf ihn aufmerksam und verpflichtete ihn als Director of Photography . Sebastian war für die Organisation und Abwicklung von Fotoshoots und Bewegtbildproduktionen zuständig und reiste durch die Welt . Dann brach die Pandemie über selbige herein . „ Ab da habe ich nur noch im Büro rumgehangen und geschnitten . Das war okay , aber irgendwann fühlte ich mich kreativ nicht mehr ausgelastet “, sagt er . Weil das Fotografieren nur noch draußen möglich war , fing er an , sich mit der Straßenfotografie zu beschäftigen . Sebastian experimentierte mit verschiedenen Kameras – und fand am Ende zu dem Modell , mit dem viele Street-Fotografen ihre ikonischen Bilder geschaffen haben : einer Leica M .
„ Vor ein paar Jahren waren die Gebrauchtmarkt- Preise noch nicht im Höhenflug wie heute . In einem Laden habe ich eine Leica M6 , Baujahr 1985 , plus ein Summicron 35mm V3 zu bezahlbaren Konditionen gefunden – und mich sofort total in die Haptik verliebt “, sagt Sebastian . Eine Zeit lang fotografierte er mit der analogen M , die Filme entwickelte er wie gewohnt in seiner Badewanne . „ Dann dachte ich : Ich will dieses M- Gefühl , aber ich will auch digital arbeiten können . Also habe ich die M6 verkauft und mir eine M10 geholt .“
Da raucht der Kopf : Sebastian versteht es , Gleichzeitigkeiten mehrdeutig einzufangen .
Grafisch surrealer Wirklichkeitsausschnitt : Wer hat
Angst vor Schwarz , Weiß , Ocker ?
Mehrere An- und Verkäufe später ist Sebastian bei seinem – vorläufig – ultimativen Set-up gelandet : einer neuen Leica M6 , Baujahr 2022 , einer M10 sowie einer M10-R Black Paint . Die Kameras bestückt er je nach Einsatzzweck mit verschiedenen Objektiven . Sein M- Equipment nutzt er inzwischen auch bei Jobs – etwa in der Theater- und Hochzeitsfotografie . Bei Letzterer kommt immer öfter auch die analoge M6 zum Einsatz – auf ausdrücklichen Wunsch seiner Kunden . Vor allem aber nutzt er seine Ms bei seinen Expeditionen durch die Straßenschluchten Manhattans und anderer Stadtteile New Yorks . „ Für die Straßenfotografie ist das M- System wie geschaffen . Die Objektive sind extrem abbildungsstark und dabei wunderbar klein . Und sobald man den Umgang mit dem manuellen Fokus einmal beherrscht , ist er schneller und unmittelbarer als jede automatische Scharfstellung “, sagt Sebastian . „ Hinzu kommt : Der Sucher gefällt mir viel besser als elektronische Sucher . Ich sehe , was um mich herum passiert – und das ist in der Streetphotography essenziell .“
Bildwitzig : Situationsstudien , in denen er die New Yorker und ihren lakonischen Umgang mit Regenschauern einfängt .
Blitzattacke : Bei diesen Bildern arbeitet der Fotograf meist mit dem Super-Elmar-M 21mm und einem Kompakt-Blitz .
Bei seinen Streifzügen durch die Jagdgründe der Ostküstenmetropole geht der 31-Jährige intuitiv vor ; meist schlendert er einfach durch die Straßen und beobachtet , „ was die Leute so tun “. Je nach Tagesform und Anliegen fotografiert er mit dem 50mm und dem 35mm bei Available Light . Oft und gerne nutzt er aber auch das 21mm , das er mit einem entfesselten Kompakt-Blitz kombiniert , einem FlashQ 20 II von LightPix Labs .
Seinen Sujets nähert er sich dann in der überfallartigen Manier eines Bruce Gilden , löst blitzschnell ein- oder zweimal aus und geht weiter . „ Mit einem Super-Weitwinkel zu fotografieren ist konfrontativer und damit herausfordernder “, sagt Sebastian . „ Trotzdem mag ich das Super-Elmar-M 21mm sehr . Die Verzerrung ist minimal , und bei Blende 11 reicht die Schärfentiefe beinahe von 0,7m bis unendlich . Man kann also sehr nah an die Leute heran , ohne sich Gedanken über den Schärfepunkt machen zu müssen . Außerdem ist das Objektiv wirklich kompakt und liefert total schöne Farben .“ Gefragt , warum viele seiner Bilder bei Blitzlicht entstehen , sagt er : „ Mit dem Blitz kann man die Leute sehr gut hervorheben aus dem chaotischen Stadtgeschehen und ins Rampenlicht stellen . New York wird dann zur Bühne .“