Nutze lange Belichtungszeiten und Kamerabewegung, um urbane Strukturen effektvoll in Szene zu setzen.
Text: Ben Kraus, Foto: Kim Bunermann
Fotografie lebt vom Spiel mit Licht, Zeit und Perspektive. Wer gezielt an den drei grundlegenden Kameraeinstellungen – Blende, ISO und Belichtungszeit – dreht, entdeckt schnell, wie vielseitig das Medium wirklich ist. Eine besonders kreative Technik, die sich daraus ergibt, ist das Arbeiten mit Intentional Camera Movement, kurz ICM. Dabei wird die Kamera während einer längeren Belichtung bewusst bewegt – nicht zufällig, sondern ganz gezielt, um ein bestimmtes gestalterisches Ergebnis zu erzielen. Dabei geht es nicht um Verwacklungen, sondern um gezielte Bewegungen – etwa ein ruhiges Schwenken oder Wischen der Kamera bei längerer Belichtungszeit. Besonders spannend wirkt das in urbaner Umgebung: Klare Linien, Fensterfronten und Fassaden verwandeln sich in abstrakte Farbflächen und Strukturen. Statt dokumentarischer Genauigkeit entsteht ein Bild voller Stimmung, Bewegung und Ausdruck.
Ursprünglich oft in der Naturfotografie eingesetzt, funktioniert ICM genauso gut mit modernen Bauwerken, Brücken oder Straßenszenen. Das harte, oft starre Erscheinungsbild von Architektur wird aufgebrochen; durch Unschärfe, Fluss und Farbe entsteht eine neue, kreative Interpretation der Umgebung. Das Fotografieren wird dabei zum intuitiven Prozess: Belichtungszeiten von etwa 1 / 2 bis 2 Sekunden sind ein guter Startpunkt. Ein ND-Filter kann helfen, die Belichtung auch bei Tageslicht zu verlängern. Während der Aufnahme wird die Kamera bewegt, idealerweise in einer Richtung, die die Architekturformen unterstützt: senkrecht bei Hochhäusern, diagonal für Dynamik oder wellenförmig für organische Effekte. Der Clou: Die Details verschwinden, doch das Wesen bleibt. Formen und Farben treten stärker hervor, der Blick konzentriert sich auf Komposition und Atmosphäre. ICM ist damit nicht nur eine Technik, sondern auch ein kreativer Zugang zur Fotografie.
1
Motive finden
Vielleicht hast du bereits ein konkretes Gebäude im Kopf. Falls nicht: Gehe mit offenen Augen spazieren. Wichtig ist, sich vor der Aufnahme Zeit zu nehmen, um die Formen, Linien und Besonderheiten der Architektur bewusst zu analysieren.
2
Der richtige Winkel
In einer belebten Stadt den passenden Standpunkt zu finden, ist oft nicht einfach. Wenn der Abstand zu einem Gebäude nicht ausreicht, um es wie gewünscht ins Bild zu setzen, lohnt sich der Blick in die Umgebung: Erhöhte Positionen helfen hier.
3
Einstellungen
Stelle deine Kamera in den manuellen Modus. Da mit längeren Belichtungszeiten gearbeitet wird, wähle einen niedrigen ISO-Wert und eine Blende von f / 11 oder kleiner, um Überbelichtungen zu vermeiden. 0,5 Sekunden sind für den Anfang ein guter Ausgangspunkt.
4
Manuelle fokussieren
Auch wenn das Bild später nicht gestochen scharf sein soll, ist dieser Schritt wichtig: Schalte den Autofokus aus, damit die Kamera während der Bewegung nicht nach einem neuen Fokuspunkt sucht. Auch die Bildstabilisierung solltest du abschalten.
5
Szene einfangen
Drücke den Auslöser, und bewege die Kamera in eine Richtung, die die Form oder Struktur des Gebäudes betont. Bei hohen Bauten eignet sich eine vertikale Bewegung besonders gut. Vielleicht folgst du aber auch einer Form am Bauwerk.
6
Belichtungszeit anpassen
Das Ergebnis hängt stark von der Verschlusszeit und der Geschwindigkeit der Bewegung ab. Beides solltst du bewusst variieren – das gehört zum kreativen Prozess. Wer sich Zeit nimmt, die Wirkung zu analysieren, entwickelt ein Gefühl dafür.
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