Praxis
PROFI DER WOCHE
presented by
ANDRÉ JOSSELIN
Bilder mit Charakter
Für Fotograf André Josselin war New York ein
Sehnsuchtsziel – kurz entschlossen schnappte
er sich seinen Koffer. Im Gepäck: die Leica M 240.
Zurück kam er mir einzigartigen Bildern.
Text: Steffen Schmidtke, Bilder: André Josselin
„Ich wünsche mir immer dort zu sein, wo ich
gerade nicht bin. Rastlos, immer auf der Suche“,
so schildert uns André Josselin seine Gedanken.
Kein Wunder also, dass der 33-Jährige spontan ei-
nen Flug nach New York buchte.
Ohne Konzept, ohne Auftrag, ein-
fach nur raus. Fünf Tage etwas
anderes sehen. Und die Idee zahl-
te sich aus. Ausgestattet mit einer
puristischen und sehr feinen Aus-
André
Josselin
rüstung, einer Leica M 240, einem
war fünf Tage in
Pro-Mist-Filter und einem 35mm
New York. Ohne
Konzept, ohne
f/1,4, erkundete Josselin die Welt-
Auftrag,
mit
einer
stadt an der Ostküste der USA.
Leica M 240 und
„Ich war fast die ganze Zeit allei-
35mm f/1,4.
ne unterwegs. Zu Fuß. Oder in der
U-Bahn. Ich liebe es, Menschen
zu beobachten. Und diese Momente festzuhalten.
Authentisch, spontan, außergewöhnlich“, so André.
Der Arbeitsstil ist dabei typisch für den jungen, aber
schon sehr erfolgreichen Fotografen, zu dessen Kun-
den Mercedes, Nike oder Red Bull gehören.
35 mm (KB)
| f/2,8 | 1/12 s |
ISO 500
Spontanes Shoo-
ting in der U-Bahn.
Die Lichter hat
André Josselin mit
einem Pro-Mist-
Filter abgesoftet.
35 mm (KB) |
f/1,7 | 1/4000 s |
ISO 100
Die Aufnahmen von
André Josselin be-
sitzen einen ganz
eigenen Look, da-
bei spielte auch die
Leica M 240 ihre
Stärken und Be-
sonderheiten aus.
„Mein Konzept besteht eigentlich grundsätzlich da-
rin, kein Konzept zu haben. Ich mag es, irgendwo
hinzufliegen, und mit einem fertigen, in sich ge-
schlossenen Projekt wieder zu kommen. Vielleicht
liegt darin auch die Stärke meiner Einstellung, Din-
ge einfach geschehen zu lassen. Ich glaube die Fo-
tos hätten nicht diese Stimmung, wenn ich mir vor-
her zu viele Gedanken machen würde.“
In diesem Fall war die Zeit in New York aller-
dings begrenzt. Fünf Tage für eine Stadt dieser Grö-
ße vergehen wie im Flug. Durch Zufall waren drei
befreundete Models in der Stadt. Er verabredete sich
sich mit ihnen zu verschiedenen Shootings. In der
U-Bahn, in China Town oder auf der Brooklyn Bridge.
Die Aufnahmen besitzen einen ganz eigenen Look,
der typisch ist für den Kölner Fotografen. Sie sind
ikonisch, roh, cineastisch. Dabei spielte auch die
Leica M 240 ihre Stärken und Besonderheiten aus.
„Die Haptik und das Gefühl, mit einer Leica zu foto-
grafieren, ist einfach etwas Außergewöhnliches.
Auch für den Menschen vor der Kamera.“, verrät
Josselin, „Die Situation ist viel persönlicher, un-
aufdringlicher. Das Motiv steht noch mehr im Vor-
dergrund.“, so André weiter. Ein Erfolgsgarant war
auch das 35-mm-Objektiv, eine klassische Repor-
tagebrennweite, die viele berühmte Fotografen für
ihre Arbeit nutzten und nutzen. Durch sie ist man
gezwungen, sich dem Motiv noch mehr zu nähern.
Und dies spürt der Betrachter. Das Motiv wird greif-
barer, privater, spürbarer. „Für mich ist das Fotogra-
fieren mit der M 240 und dem 35 mm die Reduktion
aufs Wesentliche. Kein Schnickschnack. Einfach
klassisches Fotografenhandwerk. Von der Einstel-
lung der Blende, der Komposition des Motivs bis hin
zum Scharfstellen“, so Josselin.
35 mm (KB)
| f/1,7 | 1/60 s |
ISO 640
Farbe und Lichter
spielen eine we-
sentliche Rolle.
Genau wie Schat-
ten oder Kontras-
te. Sie erzeugen
Stimmung im Bild.
35 mm (KB) |
f/1,2 | 1/180 s |
ISO 800
„Ich liebe es, Men-
schen zu beob-
achten. Und diese
Momente festzu-
halten. Authen-
tisch, spontan,
außergewöhnlich.“
Farbe und Lichter spielen eine wesentliche Rolle.
Genau wie Schatten oder Kontraste. Sie erzeugen
die entsprechende Stimmung im Bild. André spielt
zudem gerne mit Komplementärfarben und verleiht
seinen Fotos meist einen warmen Touch.
Fünf intensive Tage waren fast vergangen, als
André sich früh morgens mit einem befreundeten
Model auf der Brooklyn Bridge verabredete. „Wir
trafen uns bereits um 5 Uhr, um den Sonnenauf-
gang zu erleben und mit dem weichen Morgen-
licht einige Porträts zu machen. Wir waren ganz
allein. Ein magischer Moment, vielleicht der beste
auf meiner kurzen Reise in die Stadt am East
River“, so Josselin, der uns verrät, dass es sicher
nicht der letzte Besuch der Ostküstenmetropole
für ihn war. Fest steht aber bereits, was wieder
dabei sein wird: seine Leica. Dann allerdings
die M10-P, mit der Josselin aktuell fotografiert.
35 mm (KB) | f/1,2 | 1/3000 s | ISO 200
„Wir trafen uns bereits um 5 Uhr, um den Sonnenaufgang zu
erleben und mit dem weichen Morgenlicht einige Porträts
abzulichten. Wir waren ganz allein. Ein magischer Moment.“
Welche Fotografen haben deinen Stil beeinflusst
und inspiriert?
Als ich vor knapp neun Jahren angefangen habe zu
fotografieren, war Social Media noch nicht so riesig
und irgendwie war es schwerer, Inspiration zu fin-
den. Natürlich kannte ich Peter Lindbergh oder
Annie Leibovitz, aber die meiste Zeit habe ich auf
Tumblr und anderen Blogs verbracht. Das Problem
daran war, dass meist keine Credits angegeben
waren, wer denn nun diese wunderschönen Fotos
gemacht hat. Mich hat generell einfach die Stim-
mung der Bilder unglaublich inspiriert. Zudem habe
ich 2011 oder 2012 einen Fotografen mit dem Namen
Jean Philippe Lebee entdeckt, dessen Aufnahmen
eine enorme Leichtigkeit, aber auch eine zu dem
Zeitpunkt noch nicht „mainstreamige“ und inter-
essante Bearbeitung hatten. Ich glaube mit seinen
Bildern habe ich mich in die Idee verliebt, Fotos zu
machen, die weit weg von Posing oder zu krasser
Inszenierung ihr Eigenleben entwickeln.
Wann hast du zum ersten Mal mit einer Leica
fotografiert?
Leica war mir natürlich schon immer ein Begriff. Al-
lerdings war ich damals weder in der Lage, mir eine
Leica leisten zu können, noch kannte ich irgendwen,
der eine besitzt. Irgendwann habe ich Paul Ripke
kennengelernt. Paul hat mich zu einem Shooting
begleitet und ein paar Making-Of-Fotos mit seiner
Leica M 240 gemacht, die ich dann auch mal benut-
zen durfte. Das klingt jetzt vielleicht zu romantisch,
aber der Geruch der Lederhülle, das Auslösegeräusch
und die Haptik haben mich so krass angefixt, dass es
mein Ziel war, auch einmal eine Leica zu besitzen.
Welchen Ratschlag würdest du deinen Berufs-
kollegen geben?
Für mich persönlich ist das Wichtigste, sich selbst
treu zu bleiben. Ich sehe viele Fotografen, die sich
verbiegen, keinen eigenen Stil finden, sich in Agen-
turen oder Dingen wiederfinden, die sie selber so
niemals fotografiert hätten. Das ist schade. Ich
könnte meinen Stil auch noch viel mainstreamiger
fahren und deswegen mehr Kampagnen oder Jobs
machen, aber mir persönlich ist es wichtiger, dass
Leute mich wegen meiner Handschrift buchen
und mich nicht als stupiden Dienstleister sehen,
der Malen-nach-Zahlen abfotografiert.
André Josselin (33)
Der Autodidakt und ausgebildete Gestalter für visuelles Marketing
fotografiert seit 2010, lebt in Köln und verdient seit 2016 mit der
Fotografie seinen Lebensunterhalt. Sein Durchbruch gelang ihm
unter anderem durch die Veröffentlichung eines Buchs und Eigen-
marketing auf seinem Instagramkanal @josselin. Heute zählen zu
seinen Kunden Mercedes, Nike, Red Bull, Warner Bros. und Adidas.
Weitere Infos: www.josselin.de