Praxis
PROFI DER WOCHE
presented by
JÖRG NICHT
Über das Beobachten
mit und ohne Kamera
Das Spektrum der Street Photography ist breit:
Neben Momentaufnahmen, die das alltägliche
Leben dokumentieren und Typisches einfangen,
geht es um das Erzählen von Geschichten.
Das Fotografieren im öffentli-
Zur Person:
chen Raum hat eine lange Tra- Jörg Nicht (*1973)
studierte Erzie-
dition, die eng verbunden ist mit
hungs- und Sozial-
der Erfindung kleiner, han dlicher
wissenschaften an
Kameras. Street Photography
der HU Berlin und
reicht von abstrakten Licht- und
promovierte dort
später auch. Er lebt
Schattenkompositionen bis hin
seit 24 Jahren in
zu intimen Aufnahmen Lieben-
der Bundeshaupt-
der, die – vielleicht nicht ganz so
stadt und hat sich
2016 der professi-
intim – mit Teleobjektiven auf-
onellen Fotografie
genommen werden. Gemeinsam
verschrieben.
ist solchen Sujets das Interesse
joergnicht.com
am Leben auf den Straßen. Weil
instagram.com/jn
sich öffentliche Straßen und Plät-
ze mit ihren Bewohnern und Be-
suchern permanent verändern,
ist es für mich so spannend, an
diesen Orten zu fotografieren. Zu-
gleich stoße ich auf Motive, die
immer wiederkehren, und Per-
sonen, die ich fast täglich an be-
stimmten Kreuzungen oder in
meinem Kiez treffe. Sie zu foto-
grafieren, ist dann auch schon ein
Thema. Damit bin ich bei meiner
Grundfrage: Was ist mir
„Handlich
und
wichtig und was inter-
essiert mich, wenn ich
leistungsstark:
fotografiere? Oder allge-
Panasonics
meiner: Was will ich mit
einem Foto oder einer
Systemkameras
Fotoserie sagen?
sind
ideal
für
Ein gutes Straßenfoto
sollte für sich sprechen,
die Street-
neugierig machen, Fra-
gen aufwerfen. Das setzt Fotografie.“
voraus, dass der Foto-
graf die Szenerie genau beobach-
tet und im richtigen Augenblick
den Auslöser drückt. Viele mei-
ner Fotos habe ich in Situationen
aufgenommen, in denen ich mich
eine Zeit lang an einem Ort auf-
hielt, den ich zunächst nur beob-
achtete: Wo laufen die Menschen
Jörg Nicht flaniert
zwar oft ohne Ziel,
aber nie ohne ge-
stalterischen Plan
durch die Metropo-
len dieser Welt.
entlang und überqueren die Stra-
ße? Was machen sie hier? Wo
kommt das Licht her? Wie reagie-
ren die Leute auf Fotoapparate?
Und wie lässt sich das Typische
in einer solchen Situation mit
den richtigen fotografischen Mit-
teln umsetzen?
Oft scheint das öffentliche Le-
ben auf Straßen und Plätzen
chaotisch zu sein: Passanten
überqueren die Straße.
Wer als nächstes um
die Ecke kommt, wissen
wir nicht. Aber das Le-
ben folgt gewissen Re-
geln. Wenn ich einen
rennenden Menschen
Das
Equipment:
fotografieren möchte,
brauche ich nur auf eine Jörg Nicht fotografiert mit
den spiegellosen Systemkame-
Straßenbahn zu war-
ras von Panasonic. Für seine
ten: Viele Menschen
Street-Fotografie nutzt er am
liebsten die handliche Lumix
wollen eine heranna-
GX8 oder die Lumix GX80, für
hende Bahn noch errei-
aufwendigere Kampagnen
chen, auch wenn schon
auch mal das Profi-Flaggschiff
Lumix GH5. Seit Kurzem hat er
fünf Minuten später die
auch die neue leistungsfähige
nächste fährt.
Lumix G9 (Abb.) in seiner Ka-
Indem ich mich an
meratasche. Auf der Straße
verwendet der Wahlberliner
einen bestimmten Ort
meist
kompakte
Festbrenn-
stelle und das Verhalten
weiten, um möglichst unauf-
einer Person oder Perso- fällig zu bleiben.
nengruppe erwarte, pla-
www.panasonic.com/lumix
ne ich den Zufall. Sicher,
ich kann den genauen
Ablauf einer Situation nicht be-
einflussen, wohl aber provozie-
ren. Dazu braucht es, wie gesagt,
oft etwas Zeit. Ich empfehle im-
mer wieder, an vertrauten Orten
zu fotografieren, weil das die ei-
gene Wahrnehmung schult. Ich
schaue so, was sich täglich än-
dert und was gleich bleibt. Die
besten Aufnahmen entstehen an
bekannten Orten, und nicht dort,
wo ich fremd bin und nicht weiß,
wann das beste Licht ist.
Aufgeräumte
Motive mit der
Reduktion auf nur
wenige optische
Highlights sind
häufig der Schlüs-
sel zu gelungenen
Aufnahmen.
Meine erste LUMIX war eine GH4.
Zuvor hatte ich Straßenfotografie
eine Zeitlang mit Smartphones
betrieben. Die GH4 hatte eine viel
bessere Qualität als jedes Smart-
phone, aber sie war auch auffäl-
liger. Inzwischen nutze ich eine
GX8, eine GX80 und die neue G9
für die Straßenfotografie. Mit je-
der Kamera verändert sich auch
ein wenig meine Fotografie. Mit
einer kleinen Kamera fühle ich
mich sicherer, weil ich den Ein-
druck habe, dass ich damit in ei-
ner Situation auf der Straße nicht
so stark als Fotograf auffalle.
Wer die Absicht hat, vorwie-
gend Straßenfotos aufzunehmen,
dem empfehle ich, zunächst eine
kleine Kamera zu kaufen, mit der
man jeden Tag unterwegs sein
kann. Sicher, eine gute Kamera
allein macht noch kein gutes
Bild. Doch eine Kamera, die zu
den eigenen Bedürfnissen passt,
kann unsere Sichtweise schulen:
Erst durch das tägliche Fotogra-
fieren entsteht ein eigener Blick,
weil man einen Sinn für das ge-
winnt, was sich im Straßenbild
verändert, ob nun durch das Licht
oder durch Passanten. Die ver-
trauten Ecken können unheim-
lich spannend sein!