PhotoWeekly 32/2018 | Page 23

Praxis PROFI DER WOCHE  presented by JÖRG NICHT Über das Beobachten mit und ohne Kamera Das Spektrum der Street Photography ist breit: Neben Momentaufnahmen, die das alltägliche Leben dokumentieren und Typisches einfangen, geht es um das Erzählen von Geschichten. Das Fotografieren im öffentli- Zur Person: chen Raum hat eine lange Tra- Jörg Nicht (*1973) studierte Erzie- dition, die eng verbunden ist mit hungs- und Sozial- der Erfindung kleiner, han dlicher wissenschaften an Kameras. Street Photography der HU Berlin und reicht von abstrakten Licht- und promovierte dort später auch. Er lebt Schattenkompositionen bis hin seit 24 Jahren in zu intimen Aufnahmen Lieben- der Bundeshaupt- der, die – vielleicht nicht ganz so stadt und hat sich 2016 der professi- intim – mit Teleobjektiven auf- onellen Fotografie genommen werden. Gemeinsam verschrieben. ist solchen Sujets das Interesse joergnicht.com am Leben auf den Straßen. Weil instagram.com/jn sich öffentliche Straßen und Plät- ze mit ihren Bewohnern und Be- suchern permanent verändern, ist es für mich so spannend, an diesen Orten zu fotografieren. Zu- gleich stoße ich auf Motive, die immer wiederkehren, und Per- sonen, die ich fast täglich an be- stimmten Kreuzungen oder in meinem Kiez treffe. Sie zu foto- grafieren, ist dann auch schon ein Thema. Damit bin ich bei meiner Grundfrage: Was ist mir „Handlich und wichtig und was inter- essiert mich, wenn ich leistungsstark: fotografiere? Oder allge- Panasonics meiner: Was will ich mit einem Foto oder einer Systemkameras Fotoserie sagen? sind ideal für Ein gutes Straßenfoto sollte für sich sprechen, die Street- neugierig machen, Fra- gen aufwerfen. Das setzt Fotografie.“ voraus, dass der Foto- graf die Szenerie genau beobach- tet und im richtigen Augenblick den Auslöser drückt. Viele mei- ner Fotos habe ich in Situationen aufgenommen, in denen ich mich eine Zeit lang an einem Ort auf- hielt, den ich zunächst nur beob- achtete: Wo laufen die Menschen Jörg Nicht flaniert zwar oft ohne Ziel, aber nie ohne ge- stalterischen Plan durch die Metropo- len dieser Welt. entlang und überqueren die Stra- ße? Was machen sie hier? Wo kommt das Licht her? Wie reagie- ren die Leute auf Fotoapparate? Und wie lässt sich das Typische in einer solchen Situation mit den richtigen fotografischen Mit- teln umsetzen? Oft scheint das öffentliche Le- ben auf Straßen und Plätzen chaotisch zu sein: Passanten überqueren die Straße. Wer als nächstes um die Ecke kommt, wissen wir nicht. Aber das Le- ben folgt gewissen Re- geln. Wenn ich einen rennenden Menschen Das Equipment: fotografieren möchte, brauche ich nur auf eine Jörg Nicht fotografiert mit den spiegel­losen Systemkame- Straßenbahn zu war- ras von Panasonic. Für seine ten: Viele Menschen Street-Fotografie nutzt er am liebsten die handliche Lumix wollen eine heranna- GX8 oder die Lumix GX80, für hende Bahn noch errei- aufwendigere Kampagnen chen, auch wenn schon auch mal das Profi-Flaggschiff Lumix GH5. Seit Kurzem hat er fünf Minuten später die auch die neue leistungs­fähige nächste fährt. Lumix G9 (Abb.) in seiner Ka- Indem ich mich an meratasche. Auf der Straße verwendet der Wahlberliner einen bestimmten Ort meist kompakte Festbrenn- stelle und das Verhalten weiten, um möglichst unauf- einer Person oder Perso- fällig zu bleiben. nengruppe erwarte, pla- www.panasonic.com/lumix ne ich den Zufall. Sicher, ich kann den genauen Ablauf einer Situation nicht be- einflussen, wohl aber provozie- ren. Dazu braucht es, wie gesagt, oft etwas Zeit. Ich empfehle im- mer wieder, an vertrauten Orten zu fotografieren, weil das die ei- gene Wahrnehmung schult. Ich schaue so, was sich täglich än- dert und was gleich bleibt. Die besten Aufnahmen entstehen an bekannten Orten, und nicht dort, wo ich fremd bin und nicht weiß, wann das beste Licht ist. Aufgeräumte Motive mit der Reduktion auf nur wenige optische Highlights sind häufig der Schlüs- sel zu gelungenen Aufnahmen. Meine erste LUMIX war eine GH4. Zuvor hatte ich Straßenfotografie eine Zeitlang mit Smartphones betrieben. Die GH4 hatte eine viel bessere Qualität als jedes Smart- phone, aber sie war auch auffäl- liger. Inzwischen nutze ich eine GX8, eine GX80 und die neue G9 für die Straßenfotografie. Mit je- der Kamera verändert sich auch ein wenig meine Fotografie. Mit einer kleinen Kamera fühle ich mich sicherer, weil ich den Ein- druck habe, dass ich damit in ei- ner Situation auf der Straße nicht so stark als Fotograf auffalle. Wer die Absicht hat, vorwie- gend Straßenfotos aufzunehmen, dem empfehle ich, zunächst eine kleine Kamera zu kaufen, mit der man jeden Tag unterwegs sein kann. Sicher, eine gute Kamera­ allein macht noch kein gutes Bild. Doch eine Kamera, die zu den eigenen Bedürfnissen passt, kann unsere Sichtweise schulen: Erst durch das tägliche Fotogra- fieren entsteht ein eigener Blick, weil man einen Sinn für das ge- winnt, was sich im Straßenbild verändert, ob nun durch das Licht oder durch Passanten. Die ver- trauten Ecken können unheim- lich spannend sein!