Extrablatt
PRAXIS
06
Sterne und Milchstraße
fotografieren
Mit unseren Tipps kannst du die Sterne am
Nachthimmel nicht nur zu bewundern, sondern
auf einzigartigen Fotos festhalten.
Text & Fotos: Anja Kallenbach
Die Sterne der Milchstraße erscheinen von der
Erde aus am Nachthimmel als bandförmige Auf-
hellung, die stark einem mit Milch gezogenen Pin-
selstrich ähnelt. Leider ist diese aus Milliarden Ster-
nen bestehende Formation nur dann wirklich klar
und deutlich zu sehen – und mit der Kamera zu fo-
tografieren – wenn man sich aus den Glocken der
„Lichtverschmutzung“ entfernt, die immer mehr
Ballungszentren unseres Planeten überdecken.
Die Location
Bevor man in der nächstbesten sternenklaren
Nacht ziellos umherwandert, nimmt man besser
eine Lichtverschmutzungskarte zur Hilfe – auf
der kostenlosen Webseite Lightpollutionmap.info
sind die Lichtverschmutzungsgrade der jeweiligen
Location aufgeführt. Um gute Ergebnisse zu erzie-
len, sollte man Orte aufsuchen, die mindestens der
Klasse 4 (grüner Bereich, Land-Vorstadt-Übergang)
entsprechen. In der Verlängerung des gewählten
Standortes zur Milchstraße darf sich zudem keine
größere Stadt befinden, da deren Lichtglocke auch
noch aus 10 Kilometern Entfernung zu sehen ist.
Die stärkste Lichtverschmutzung hat aber immer
noch natürliche Ursachen. Das Mondlicht, also das
von der Mondoberfläche reflektierte Sonnenlicht,
strahlt extrem hell. Weiterhin versteckt sich der
hellste Teil der Milchstraße, das sogenannte „galak-
tische Zentrum“, vor den Europäern zwischen Mitte
Februar und Oktober hinter dem Horizont. Daher
lohnt es sich ei-
gentlich nur zwi-
Für
unterwegs
schen März und
eignet sich die
Ende September,
App Planit Pro
sich die Ausrüs-
(iOS / Android)
die zwar 10 Euro
tung zu schnap-
kostet, aber ei-
pen und Richtung
nen ungeheuer
Milchstraße zu
hilfreichen Funk-
tionsumfang für
gehen – und wäh-
leidenschaftliche
rend der Tage um
Milchstraßenfoto-
Neumond.
grafen bereithält.
Die Ausrüstung
Die Milchstraßen- und Astrofotografie gehört zu
den Bereichen, die ein besonders hochwertiges
Foto-Equipment erfordern – in Bezug auf die
Kamera, die Objektive und Filter.
Kamera: Die Qualität der Kamera und die Größe des
Sensors wirkt sich grundsätzlich positiv auf das
Rauschverhalten bei Dunkelheit aus – da wir als
Sternenfotograf stets nachts unterwegs und aktiv
sind, können wir hier keine Kompromisse einge-
hen. Zudem sollten alle Funktionen im manuellen
Modus ausführbar sein, die Kamera auch über einen
Anschluss für eine Funk- oder Kabelfernsteuerung
und über eine Live-View-Option verfügen.
Objektiv: Für den Aufnahmewinkel des Objektivs
gilt: weiter ist besser. Wir möchten ja nicht nur ei-
nen kleinen Ausschnitt auf die Speicherkarte ban-
nen, sondern die Milchstraße möglichst in ihrer
ganzen Schönheit festhalten. Die „Milky Way“
möchte natürlich auch passend in Szene gesetzt
werden, ohne bekannte Bezugspunkte kann das
menschliche Gehirn die Gewaltigkeit unserer astro-
nomischen Nachbarschaft nicht angemessen erfas-
sen. Daher sollten wir Objektive einsetzen, die über
eine Brennweite von 14-24 mm (Vollformat-Sensor)
bzw. 10-16 mm (APS-C-Sensor) verfügen. Der zweite
kritische Faktor ist die Lichtstärke – hier sollten wir
Optiken mit in die Nacht nehmen, die bis zu f/2,8
oder weiter öffnen.
Stativ: Stabile, witterungsunemp-
findliche und extrem tragfähige
Outdoor- und Reisestative eignen
sich besonders für die Fotografie
der Milchstraße. Angesichts der
langen Belichtungszeiten kann
selbst die kleinste Erschütte-
rung – ausgelöst durch einen
unabsichtlichen Rempler
oder einen Windstoß –
die gesamte Aufnahme
ruinieren. Das Stativ sollte
idealerweise auch über
einen Mittelsäulenhaken verfü-
gen, um mit dem Gewicht unseres Fotorucksacks
oder der Kameratasche den Schwerpunkt noch
weiter nach unten zu verlagern.
Zusätzliche Lichtquellen: Idealerweise sollten wir
uns mit unserem Equipment „blind“ auskennen –
und alle wichtigen Einstellungen auch bei Dunkel-
heit und heruntergeregelter Helligkeit des Kamera-
bildschirms vornehmen können. Für den Weg zur
Location oder für zusätzliche Maßnahmen vor Ort
benötigen wir eine Stirnlampe, die bei Bedarf auch
in den Rotlicht-Modus geschaltet werden kann.
Rotes Licht blendet unsere Augen kaum, wenn wir
jedes Mal eine handelsübliche Taschenlampe ein-
schalten müssen, brauchen unsere Augen bis zu 20
Minuten, um wieder in den „Nachtsehbetrieb“ gelan-
gen zu können. Auch sollten wir an unsere Umwelt,
nachtaktive Tiere und Fotografenkollegen denken,
die wir nicht unnötig blenden wollen.
Fernauslöser: Wesentlich besser als der
Selbstauslöser, der uns nicht selten mit
ungewünschten Licht- und Tonsignalen
über seinen Betrieb informiert, eignen
sich Kabel- oder Funkfernauslöser. Über
das einfache Auslösen hinaus sollten die-
se idealerweise auch die freie Wahl von
Belichtungszeit und Intervallen erlauben.
Kabelauslöser bieten den Vorteil, nicht
durch externe Funksignale gestört wer-
den zu können.
Filter: Um der verbleiben-
den Lichtverschmutzung
an der gewählten Location
Herr werden zu können,
setzt man einen speziel-
len Astroklar-Filter gegen
Lichtverschmutzung ein,
der die Wellenlängen im Gelb- und
Orangebereich reduziert, das natürliche
Blau des Nachthimmels weitestgehend
wiederherstellt und zudem für stärkere
Kontraste sorgt.
Kamera-Einstellungen
In der Milchstraßen- und Sternenfotografie stoßen
wir bei der Belichtung an unsere Grenzen: Die Erde
dreht sich kontinuierlich weiter – und wenn wir
zu lange belichten, verwandeln sich die Sterne und
Planeten in Striche. Zwar können wir dieses Stil-
mittel ganz bewusst einsetzen, um die Bahnen der
Himmelskörper zu verdeutlichen. Für die gestochen
scharfe Darstellung der Milchstraßenwirbel sollten
wir aber nur so lange wie nötig belichten. In der Re-
gel geht man für die Fotografie von Milchstraße und
Nachthimmel von einer Belichtungszeit zwischen
20 und 25 Sekunden aus.
Um nach der Milchstraßenfotografie zuhause
am Rechner keine böse Überraschung zu erleben,
solltest du auf jeden Fall einige Testfotos machen
und auf dem Kamera-Display durch Hineinzoomen
überprüfen, ob die Sterne immer noch Sterne oder
bereits schon Schlieren sind.
Die Bildqualität und den Wow-Faktor des End
ergebnisses beeinflussen wir hauptsächlich mit den
Größen ISO-Zahl und Blendenöffnung. Probiere be-
reits zuhause bei Dunkelheit aus, ab welcher ISO-
Zahl deine Kamera ins Rauschen kommt. Da wir ja
mit einem möglichst hochwertigen Gehäuse in den
Astrofotografie-Ring steigen, sollten wir uns nicht
scheuen, bis in den Bereich 3.200 (APS-C) oder so-
gar 6.400 bis 8.000 (Vollformat) zu gehen. Öffnen wir
dann auch noch die Blende ordentlich, stehen die
Chancen vergleichsweise gut, großartige Milchstra-
ßenfotos mit nach Hause nehmen zu können. Den
Autofokus können wir getrost außen vorlassen, da
die Entfernungen und der möglichst weite Aufnah-
mewinkel keine sinnvolle Funktion dieses eigent-
lich sonst sehr nützlichen Helfers erlauben. Wir
gehen daher anders vor:
Auslösen: M-Modus empfehlenswert, am besten mit
Stativ und Fernauslöser arbeiten
Objektiv: auf ein Weitwinkelobjektiv zurückgreifen
(Astro-Objektive), 14-24 mm (Vollformat-Sensor) bzw.
10-16 mm (APS-C-Sensor)
Blende: Blendenöffnung mindestens bei f/2,8
ISO-Werte: Empfehlenswert sind ISO 3.200 (APS-C) oder
sogar ISO 6.400 bis 8.000 (Vollformat) – beste Ergebnisse
bei gleichzeitig weit geöffneter Blende
Belichtungszeit: i.d.R. zwischen 20 und 25 Sekunden. Nur
so lange wie nötig belichten, um Sterne scharf abzubilden.
Wie stellt man auf die Milchstraße scharf?
Zuerst schalten wir die Bildstabilisierung aus, stel-
len auf „unendlich“, suchen uns den hellsten Stern,
zoomen mit Live-View so nah wie möglich heran
und drehen dann am Fokusring hin und her. Sobald
der Himmelskörper nicht mehr „kleiner“ geschraubt
werden kann, haben wir die Idealeinstellung er-
reicht. Jetzt können wir wieder auszoomen und uns
auf das Motiv konzentrieren.
RAW oder JPEG für die Sternenfotografie?
Da der Weißabgleich in der Nacht (aufgrund man-
gelnder Referenzfläche) nicht wirklich zuverlässig
funktioniert, sichern wir uns mit RAW mehr Reser-
ven und können auch bezüglich der Rausch-
unterdrückung in der Nachbearbeitung noch mehr
herausholen. Profis schalten die kameraeigene
Rauschunterdrückung komplett aus, da die gutge-
meinte Automatik in der Ausnahmesituation der
Milchstraßenfotografie gerne auch mal den einen
oder anderen Stern aus ungewolltem Rauschen
identifiziert und „auslöscht“.
Was sich aber lohnen kann: Die „Rauschminde-
rung bei Langzeitbelichtung“, die viele Kameras
bieten. Dann nimmt die Kamera zwei Bilder auf,
einmal das eigentliche Motiv und einmal ein Dun-
kelbild – also mit geschlossenem Verschluss, sonst
aber identischen Einstellungen. Im zweiten Bild
identifiziert die Kamera fehlerhafte Bildsignale, die
sogenannten Hot Pixel. Diese werden dann aus dem
eigentlichen Bild herausgerechnet.
Dieser Artikel stammt aus dem Rollei-Fotowissen. Hier findest
du weiteren hochwertigen und informativen Content.