PhotoWeekly Extrablatt 19.04.2019 | Page 6

Extrablatt PRAXIS 06 Sterne und Milchstraße fotografieren Mit unseren Tipps kannst du die Sterne am Nachthimmel nicht nur zu bewundern, sondern auf einzigartigen Fotos festhalten. Text & Fotos: Anja Kallenbach Die Sterne der Milchstraße erscheinen von der Erde aus am Nachthimmel als bandförmige Auf- hellung, die stark einem mit Milch gezogenen Pin- selstrich ähnelt. Leider ist diese aus Milliarden Ster- nen bestehende Formation nur dann wirklich klar und deutlich zu sehen – und mit der Kamera zu fo- tografieren – wenn man sich aus den Glocken der „Lichtverschmutzung“ entfernt, die immer mehr Ballungszentren unseres Planeten überdecken. Die Location Bevor man in der nächstbesten sternenklaren Nacht ziellos umherwandert, nimmt man besser eine Lichtverschmutzungskarte zur Hilfe – auf der kostenlosen Webseite Lightpollutionmap.info sind die Lichtverschmutzungsgrade der jeweiligen Location aufgeführt. Um gute Ergebnisse zu erzie- len, sollte man Orte aufsuchen, die mindestens der Klasse 4 (grüner Bereich, Land-Vorstadt-Übergang) entsprechen. In der Verlängerung des gewählten Standortes zur Milchstraße darf sich zudem keine größere Stadt befinden, da deren Lichtglocke auch noch aus 10 Kilometern Entfernung zu sehen ist. Die stärkste Lichtverschmutzung hat aber immer noch natürliche Ursachen. Das Mondlicht, also das von der Mondoberfläche reflektierte Sonnenlicht, strahlt extrem hell. Weiterhin versteckt sich der hellste Teil der Milchstraße, das sogenannte „galak- tische Zentrum“, vor den Europäern zwischen Mitte Februar und Oktober hinter dem Horizont. Daher lohnt es sich ei- gentlich nur zwi- Für unterwegs schen März und eignet sich die Ende September, App Planit Pro sich die Ausrüs- (iOS / Android) die zwar 10 Euro tung zu schnap- kostet, aber ei- pen und Richtung nen ungeheuer Milchstraße zu hilfreichen Funk- tionsumfang für gehen – und wäh- leidenschaftliche rend der Tage um Milchstraßenfoto- Neumond. grafen bereithält. Die Ausrüstung Die Milchstraßen- und Astrofotografie gehört zu den Bereichen, die ein besonders hochwertiges Foto-Equipment erfordern – in Bezug auf die Kamera, die Objektive und Filter. Kamera: Die Qualität der Kamera und die Größe des Sensors wirkt sich grundsätzlich positiv auf das Rauschverhalten bei Dunkelheit aus – da wir als Sternenfotograf stets nachts unterwegs und aktiv sind, können wir hier keine Kompromisse einge- hen. Zudem sollten alle Funktionen im manuellen Modus ausführbar sein, die Kamera auch über einen Anschluss für eine Funk- oder Kabelfernsteuerung und über eine Live-View-Option verfügen. Objektiv: Für den Aufnahmewinkel des Objektivs gilt: weiter ist besser. Wir möchten ja nicht nur ei- nen kleinen Ausschnitt auf die Speicherkarte ban- nen, sondern die Milchstraße möglichst in ihrer ganzen Schönheit festhalten. Die „Milky Way“ möchte natürlich auch passend in Szene gesetzt werden, ohne bekannte Bezugspunkte kann das menschliche Gehirn die Gewaltigkeit unserer astro- nomischen Nachbarschaft nicht angemessen erfas- sen. Daher sollten wir Objektive einsetzen, die über eine Brennweite von 14-24 mm (Vollformat-Sensor) bzw. 10-16 mm (APS-C-Sensor) verfügen. Der zweite kritische Faktor ist die Lichtstärke – hier sollten wir Optiken mit in die Nacht nehmen, die bis zu f/2,8 oder weiter öffnen. Stativ: Stabile, witterungsunemp- findliche und extrem tragfähige Outdoor- und Reisestative eignen sich besonders für die Fotografie der Milchstraße. Angesichts der langen Belichtungszeiten kann selbst die kleinste Erschütte- rung – ausgelöst durch einen unabsichtlichen Rempler oder einen Windstoß – die gesamte Aufnahme ruinieren. Das Stativ sollte idealerweise auch über einen Mittelsäulenhaken verfü- gen, um mit dem Gewicht unseres Fotorucksacks oder der Kameratasche den Schwerpunkt noch weiter nach unten zu verlagern. Zusätzliche Lichtquellen: Idealerweise sollten wir uns mit unserem Equipment „blind“ auskennen – und alle wichtigen Einstellungen auch bei Dunkel- heit und heruntergeregelter Helligkeit des Kamera- bildschirms vornehmen können. Für den Weg zur Location oder für zusätzliche Maßnahmen vor Ort benötigen wir eine Stirnlampe, die bei Bedarf auch in den Rotlicht-Modus geschaltet werden kann. Rotes Licht blendet unsere Augen kaum, wenn wir jedes Mal eine handelsübliche Taschenlampe ein- schalten müssen, brauchen unsere Augen bis zu 20 Minuten, um wieder in den „Nachtsehbetrieb“ gelan- gen zu können. Auch sollten wir an unsere Umwelt, nachtaktive Tiere und Fotografenkollegen denken, die wir nicht unnötig blenden wollen. Fernauslöser: Wesentlich besser als der Selbstauslöser, der uns nicht selten mit ungewünschten Licht- und Tonsignalen über seinen Betrieb informiert, eignen sich Kabel- oder Funkfernauslöser. Über das einfache Auslösen hinaus sollten die- se idealerweise auch die freie Wahl von Belichtungszeit und Intervallen erlauben. Kabelauslöser bieten den Vorteil, nicht durch externe Funksignale gestört wer- den zu können. Filter: Um der verbleiben- den Lichtverschmutzung an der gewählten Location Herr werden zu können, setzt man einen speziel- len Astroklar-Filter gegen Lichtverschmutzung ein, der die Wellenlängen im Gelb- und Orangebereich reduziert, das natürliche Blau des Nachthimmels weitestgehend wiederherstellt und zudem für stärkere Kontraste sorgt. Kamera-Einstellungen In der Milchstraßen- und Sternenfotografie stoßen wir bei der Belichtung an unsere Grenzen: Die Erde dreht sich kontinuierlich weiter – und wenn wir zu lange belichten, verwandeln sich die Sterne und Planeten in Striche. Zwar können wir dieses Stil- mittel ganz bewusst einsetzen, um die Bahnen der Himmelskörper zu verdeutlichen. Für die gestochen scharfe Darstellung der Milchstraßenwirbel sollten wir aber nur so lange wie nötig belichten. In der Re- gel geht man für die Fotografie von Milchstraße und Nachthimmel von einer Belichtungszeit zwischen 20 und 25 Sekunden aus. Um nach der Milchstraßenfotografie zuhause am Rechner keine böse Überraschung zu erleben, solltest du auf jeden Fall einige Testfotos machen und auf dem Kamera-Display durch Hineinzoomen überprüfen, ob die Sterne immer noch Sterne oder bereits schon Schlieren sind. Die Bildqualität und den Wow-Faktor des End­ ergebnisses beeinflussen wir hauptsächlich mit den Größen ISO-Zahl und Blendenöffnung. Probiere be- reits zuhause bei Dunkelheit aus, ab welcher ISO- Zahl deine Kamera ins Rauschen kommt. Da wir ja mit einem möglichst hochwertigen Gehäuse in den Astrofotografie-Ring steigen, sollten wir uns nicht scheuen, bis in den Bereich 3.200 (APS-C) oder so- gar 6.400 bis 8.000 (Vollformat) zu gehen. Öffnen wir dann auch noch die Blende ordentlich, stehen die Chancen vergleichsweise gut, großartige Milchstra- ßenfotos mit nach Hause nehmen zu können. Den Autofokus können wir getrost außen vorlassen, da die Entfernungen und der möglichst weite Aufnah- mewinkel keine sinnvolle Funktion dieses eigent- lich sonst sehr nützlichen Helfers erlauben. Wir gehen daher anders vor:  Auslösen: M-Modus empfehlenswert, am besten mit Stativ und Fernauslöser arbeiten  Objektiv: auf ein Weitwinkelobjektiv zurückgreifen (Astro-Objektive), 14-24 mm (Vollformat-Sensor) bzw. 10-16 mm (APS-C-Sensor)  Blende: Blendenöffnung mindestens bei f/2,8  ISO-Werte: Empfehlenswert sind ISO 3.200 (APS-C) oder sogar ISO 6.400 bis 8.000 (Vollformat) – beste Ergebnisse bei gleichzeitig weit geöffneter Blende  Belichtungszeit: i.d.R. zwischen 20 und 25 Sekunden. Nur so lange wie nötig belichten, um Sterne scharf abzubilden. Wie stellt man auf die Milchstraße scharf? Zuerst schalten wir die Bildstabilisierung aus, stel- len auf „unendlich“, suchen uns den hellsten Stern, zoomen mit Live-View so nah wie möglich heran und drehen dann am Fokusring hin und her. Sobald der Himmelskörper nicht mehr „kleiner“ geschraubt werden kann, haben wir die Idealeinstellung er- reicht. Jetzt können wir wieder auszoomen und uns auf das Motiv konzentrieren. RAW oder JPEG für die Sternenfotografie? Da der Weißabgleich in der Nacht (aufgrund man- gelnder Referenzfläche) nicht wirklich zuverlässig funktioniert, sichern wir uns mit RAW mehr Reser- ven und können auch bezüglich der Rausch- unterdrückung in der Nachbearbeitung noch mehr herausholen. Profis schalten die kameraeigene Rauschunterdrückung komplett aus, da die gutge- meinte Automatik in der Ausnahmesituation der Milchstraßenfotografie gerne auch mal den einen oder anderen Stern aus ungewolltem Rauschen identifiziert und „auslöscht“. Was sich aber lohnen kann: Die „Rauschminde- rung bei Langzeitbelichtung“, die viele Kameras bieten. Dann nimmt die Kamera zwei Bilder auf, einmal das eigentliche Motiv und einmal ein Dun- kelbild – also mit geschlossenem Verschluss, sonst aber identischen Einstellungen. Im zweiten Bild identifiziert die Kamera fehlerhafte Bildsignale, die sogenannten Hot Pixel. Diese werden dann aus dem eigentlichen Bild herausgerechnet. 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