Interview
WOLFGANG MOERSCH 25
Deutschlands letzter
Fine-Art-Masterprinter
Wolfgang Moersch blickt auf erfolgreiche Jahrzehnte
zurück. Und resümiert, dass die analoge
Fotografie heute jünger und angesagter ist denn je.
Interview: Dagmar Schelhas-Pelzer, Fotos: Wolfgang Moersch
Wie sind Sie selbst zur Fotografie gekommen
und ab wann wussten Sie, dass Sie damit Ihre
Berufung gefunden haben?
Vor mehr als 50 Jahren kam ich bei einer Fotoausstellung
aus dem Staunen nicht heraus. Ich war so
nachhaltig beeindruckt, dass ich beschloss, dieses
Handwerk zu erlernen. Meine Ausbildung erhielt ich
bei Helmut Stahl in Köln und nach der Lehrzeit ging
ich zur Werkkunstschule Köln. Nach etwa 20 Jahren
als Werbefotograf fand ich, es sei an der Zeit,
einen Schnitt zu machen und mich nur noch der
Schwarzweiß-Fotografie zu widmen. Zu Beginn verdiente
ich meinen Lebensunterhalt mehr schlecht
als recht mit Laborarbeiten für ehemalige Kollegen,
Stiftungen und Archive. In dieser Zeit entstanden die
ersten Produkte wie spezielle Entwickler und Toner.
Margarethenweiher
Tri-x in Finol N+1
Fomatone 132 in
SE5 Lith
Jeder Fotograf hat ja einen eigenen Stil, oder eher
jeder gute Fotograf … Haben Sie quasi einen eigenen
Entwicklungsstil?
Eine eigene Bildsprache entwickelt sich mit ein
wenig Talent und viel Praxis im Laufe der Jahre.
Wir alle sind, ob wir es nun wollen oder nicht, beeinflusst
durch das Werk derer, die vor uns Bilder geschaffen
haben. Ich kann jedem jungen Fotografen
nur raten, die alten Meister zu studieren. Bildgestaltung
ist erlernbar, ebenso wie die Technik. Anfangs
habe ich mich gescheut, eigene Negativentwickler
auf die geneigte Kundschaft loszulassen, weil damit
doch einige Verantwortung übernommen werden
muss. Mittlerweile biete ich sechs Filmentwickler
an, die ich bis auf zwei Ausnahmen auch nach wie
vor selber benutze.
Welche Dienstleistungen machen denn das Hauptgeschäft
von Moersch Photochemie aus?
Der Laborservice spielt heute kaum noch eine Rolle.
Printaufträge werden nur noch angenommen, wenn
mich Negative anlachen oder wenn alte Kunden
Nachdrucke wünschen.
Das Hauptgeschäft ist
die Produktion von
Werkzeugen aller Art
für die analoge Fotografie
(www.moersch-photochemie.de).
Allein für
den heimischen Markt
könnte man damit kein
Auskommen finden,
„Eine eigene Bildsprache
entwickelt
sich mit
ein wenig Talent
und viel Praxis im
Laufe der Jahre.“
doch es bestellen seit
vielen Jahren Anwender und Händler aus aller Welt
und erfreulicherweise gehen die Umsätze allein aus
dem Grund nicht zurück, weil ständig neue Kunden
hinzukommen. Weltweit ist der Markt immer noch
riesig. Ein gewichtiges Argument für Produktakzeptanz
mag der gebotene Beratungsservice sein. Ich
bemühe mich, jede Frage zur Technik, auch dann,
wenn es sich nicht um produktspezifische Anfragen
handelt, nach bestem Wissen zu beantworten.
Fuchsia
Kallitype auf
Weston Diploma
Parchment
Sie haben auch ein Buch herausgebracht „Walking
the Dog“ – was möchten Sie uns darüber erzählen?
Es begann mit dem Vorschlag eines Freundes,
mir eine Holga zuzulegen, um mit meinen Arbeiten
nicht nur das Interesse der „Fineprinter“ zu erreichen.
Ich muss zugeben, ich war anfangs etwas
skeptisch, wegen der doch recht mäßigen Abbildungsqualität.
Über Jahrzehnte darauf getrimmt,
technisch höchstes Niveau anzustreben, kostet es
Überwindung, sich auf das Gegenteil einzulassen.
Das Teil hatte damals aber einen unschätzbaren
Vorteil, dem Hund fiel es kaum auf, wenn ich bei
den täglichen Runden kurz stehenblieb. Dinge an
denen ich früher achtlos
vorbei gegangen
war, fielen mir plötzlich
ins Auge. Bei der Holga
120N gibt es keine Möglichkeit,
Blende oder
Belichtungszeit zu variieren.
Mit der ersten
Belichtung ist die Entscheidung
über die Filmempfindlichkeit
und
die dazu passende Entwicklung
getroffen. Dies
„Ich kann jedem
jungen Fotografen
nur raten, die
alten Meister zu
studieren. Bildgestaltung
ist erlernbar,
ebenso
wie die Technik.“
zwingt zur exakten Belichtungsmessung.
Bei der Unterschiedlichkeit der
mir zur Verfügung stehenden Entwickler bezüglich
der Empfindlichkeitsausnutzung können ISO-Werte
zwischen 50 und 800 mit nur zwei Filmsorten abgedeckt
werden.
Der Betrieb – mit Produktion, Versand und Workshops
– ließ mir kaum Zeit, längerfristig Projekte in
Angriff zu nehmen. Für Beispielbilder der wachsenden
Produktpalette wurden aber nun mal Negative
benötigt und so kam es zu Veröffentlichungen in
Foren wie Flickr, meist mit kurzer Beschreibung der
Arbeitsschritte. Irgendwann kam dann ein Kollege
auf die Idee, daraus ein Buch zu machen.
Was glauben Sie, wie wird sich die Fotobranche und
damit auch Ihr Geschäft in den nächsten 10 Jahren
entwickeln?
Ich bin da recht zuversichtlich. Es wird wieder mehr
auf Film fotografiert. Selbst wenn nach der Entwicklung
oftmals gescannt und digital weitergearbeitet
wird, ist das Interesse an analoger Ausarbeitung
nicht geschwunden. Es zeigt sich, dass ein handwerklicher
Aufwand nicht abschreckend wirkt. Es
ist im Gegenteil so, dass Aufwand und eigene Leistung
zu einer Befriedigung führt, die digitales Abrufen
von Vorarbeiten anderer kaum bieten kann.
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