Wie gehen Sie bei der Bearbeitung vor? Ich mache zunächst grundlegende Anpassungen in Lightroom: Die Farbdynamik wird erhöht, die Schatten aufgehellt, die Lichter abgeflacht, mehr Details hervorgehoben und Schärfe hinzugefügt. Die gesamte Bildbearbeitung erfolgt in Lightroom. Das Ausschneiden und Zusammensetzen der Elemente erledige ich dann in Photoshop.
Wie lang dauert der Prozess etwa?
Manche
Bilder dauern zwei Tage, andere können Wochen in Anspruch nehmen – wobei ich da immer wieder daran arbeite und nicht alles auf einmal mache. Im Durchschnitt würde ich sagen, dass es zwischen 20 und 40 Stunden dauert. Das umfasst das Fotografieren des Vogels, die Suche nach den Sitzstangen, den Aufbau im Studio und das Fotografieren der Pflanzen – also all die Vorarbeiten, die notwendig sind.
Sehen Sie sich selbst eher als Fotograf oder als Künstler? Ich sehe mich als Vogel-Künstler. Ich habe Freunde, die reine Fotografen sind – einer macht Landschaften, der andere arbeitet im Studio. Niemals würde ich behaupten, so viel zu wissen wie sie. Ich kenne sie seit 25 Jahren beruflich, und sie beherrschen wirklich alle Feinheiten. Trotzdem bin ich ziemlich gut in der Fotografie geworden, vor allem in einem Studio-Setup mit Pflanzen.
Auch das Fotografieren von Vögeln liegt mir mittlerweile. Wildlifefotografie ist eine anspruchsvolle Disziplin, und sie hat mit dem Aufkommen von sozialen Medien und Instagram einen regelrechten Boom erlebt – inzwischen gibt es Millionen von Vogelfotografen. Ich habe viele Jahre damit verbracht, es zu üben, und es hat mindestens zehn Jahre gedauert, bis ich einigermaßen gut darin war.
Doch neben der Kamera und dem Objektiv braucht es für Ihre Arbeit auch eine kreative Vision.
Absolut. Man muss im Feld sehr schnell reagieren, was die Einstellungen angeht. Das Licht verändert sich ständig, und darauf muss man vorbereitet sein. Meine Lieblingsbedingungen sind bewölkte Tage – wie bei vielen anderen auch. Hauptsächlich, weil sie die Schatten und Lichter abflachen. Das Licht wird gleichmäßiger, und man muss nicht ständig die Einstellungen anpassen, während man darauf wartet, dass ein Vogel landet – nur um dann die falschen Einstellungen zu haben. Und wenn der Vogel wieder weg ist, hat man die Chance verpasst.
Die eigentliche Kunst besteht darin, zu wissen, wie das Licht um einen herum wirkt und wie die Kamera den Vogel in ge-
„ Ich nenne es hyperrealistische Kunst – in freier Wildbahn sieht der Vogel längst nicht immer so gut aus.“
nau dem Moment einfängt, in dem er landet. Daran scheitern viele unerfahrene Vogelfotografen: Sie stellen ihre Kamera auf den Automatikmodus. Klar, moderne Kameras machen auch so ganz ordentliche Bilder, aber sie sind nie so gut wie eine Aufnahme, die manuell und richtig belichtet wurde. Die erfahrenen Fotografen wissen genau, wie sie das hinbekommen.
Was hat Sie an den Arbeiten viktorianischer Vogelillustratoren fasziniert?
Die Art und Weise, wie die Vögel dargestellt wurden. Die Bilder waren schön anzusehen und lenkten die Aufmerksamkeit auf den Vogel. Es ging nicht darum, einen Vogel auf einem Ast zu zeigen, sondern ihm aus künstlerischer Sicht Charakter und Form zu verleihen. Interessanterweise waren die Zeichnungen zwar wissenschaftlich korrekt, aber oft nicht besonders lebensnah, wenn es um die Proportionen und Dimensionen der Vögel ging. Denn entweder entstanden diese von toten Vögeln oder anhand schneller Skizzen. Es ist daher nicht ungewöhnlich, dass die Vögel auf diesen Bildern manchmal ein wenig seltsam aussehen – aber ich fand das ganze Konzept trotzdem faszinierend.
In der Einleitung des Buchs sagen Sie, dass Sie Aspekte der Vögel manipulieren und sich künstlerisch nähern.
Bei manchen Vögeln sind bestimmte Gefiedermerkmale extrem schwer zu fotografieren. Wenn man zum Beispiel einen Spix-Ara sitzend sieht, würde man nicht erkennen, dass die Blautöne des Gefieders leicht unterschiedliche Nuancen haben. Deshalb nenne ich es hyperrealistische Kunst: Der Vogel sieht in der Natur nicht immer so beeindruckend aus, wie ich ihn darstelle.
DAS BUCH ZUM INTERVIEW
„ Homage to the Bird“ von Greg Oakley
Der aufwendig illustrierte Bildband präsentiert eine wunderschöne Auswahl eindrucksvoller Vogelporträts von Greg Oakley und ist eine zeitgenössische Hommage an die Vogelillustratoren des 19. Jahrhunderts. www. imagespublishing. com