Technik
M E TA -T E S T
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LEICA M10
Fotografierende
Liebeserklärung
Über einhundert Jahre Kamerakompetenz „Made
in Germany“ kommen in der Leica M10 zusammen
– und ergeben ein Paket, das eigentlich schlecht
und zugleich perfekt ist.
Von Ruben Schäfer
Es gibt Produkte, die kann man
rational kaum erklären: Am
Ende des Tages zeigt auch eine
Rolex die Zeit an, ein Montblanc
kann schreiben und eine Leica
fotografiert – nur dass man für
diese Features ein bisschen mehr
auf den Tisch legt als bei ande-
ren Herstellern. Mit rund 7.000
Euro für den Kamerabody ist die
Leica M10 noch eine der günsti-
geren Vertreter aus der Fraktion
„handmade in Wetzlar“. Und so
sehr sich die Debatte häufig um
den Preis dreht, so ungerecht ist
diese Betrachtung für die M10 ei-
gentlich. Wie bei jeder Leica geht
es hier um eine tief empfundene
Liebe zur Fotografie – oder um es
mit den Worten einer weiteren
Luxusmarke wie Aston Martin zu
sagen: Power, Beauty and Soul.
Unserem Test muss sich die M10
aber trotzdem stellen.
N O 094
37/2019
Leica
M10
befriedigend
Quick Facts:
Preis:
ca. 6.800 Euro
Auflösung:
24 Megapixel
ISO: 100-50.000
Ausstattung
Serienbild:
max. 5 B/s
Nicht dass Leicas generell un-
ter Verdacht stünden, beson-
ders adipös zu sein; aber bei der
M10 haben sich die Ingenieure
in Wetzlar besonders Mühe beim
Gehäuse gegeben. Fazit: Die M10
ist die schlankste digitale M al-
ler Zeiten. „Mit kompakteren Ma-
ßen, verbesserter Performance
und noch intuitiverer Bedienung
setzt die Leica M10 einen Meilen-
stein in der traditionsreichen Ge-
schichte der Leica-M-Fotografie“,
verspricht uns die PR-Abteilung.
Und eine kompromisslose Kon-
zentration auf die Fotografie –
bedeutet im Klartext: Kein Video.
Also gar keins. Für die Fotografen
kommt dafür weiterhin der legen-
däre Messsucher zum Einsatz,
welcher der M10 das charakte-
ristische Aussehen spendiert und
den Anfangsbuchstaben leiht.
Er wurde vergrößert und erlaubt
nun eine noch präzisere Fokus-
sierung. Denn den Job macht der
Fotograf hier noch selbst. Auf der
Kamera befinden sich Einstell-
räder für ISO und Verschlusszeit,
die Blende wird am Objektiv
gewählt. Die M10 ist grundlegend
wettergeschützt.
Video: Nein
Der Sensor oder die „digitale Lein-
wand“, wie es Leica nennt, ist ein
eigens für diese Kamera entwi-
ckelter CMOS-Vollformatsensor
mit 24 Megapixeln. Dessen neue
Technologie führe zu einer sig-
nifikanten Verbesserung aller
bildrelevanten Leistungspara-
meter, sagt Leica. In jedem Fall
gibt es für die maximale Schärfe
keinen Tiefpassfilter mehr, dafür
ISO-Werte von 100 bis 50.000. Sie
ist die schnellste M-Kamera aller
Zeiten, dafür reichen aber schon
fünf Bilder in der Sekunde. Die
Leica M10 ist außerdem die erste
M-Kamera mit integriertem
WLAN. Dadurch können Bilder
schnell und drahtlos auf mobile
Apple-Geräte übertragen, dort
editiert und dann direkt in sozia-
len Netzwerken geteilt werden.
Der Monitor ist
leider nicht touch-
fähig. Dennoch
bleibt Leica bei den
Tasten sparsam.
ISO, Zeit, Blende,
Auslöser: Wer die
Liebe zur Fotografie
auf Leica-Art genie-
ßen will, braucht (und
bekommt) nicht mehr.
Bildqualität
Die Reduktion auf das Wesentli-
che sollte sich in den Bildern be-
merkbar machen. Moritz Wanke
hat es für Chip getestet und
schreibt: „Die Leica liefert an sich
eine tolle Bildqualität, solange
man im DNG-Format arbeitet.
Doch da wir bei unseren Kamera-
tests zur Vergleichbarkeit gene-
rell die JPEGs auswerten, büßt die
Leica M10 aufgrund ihrer durch-
schnittlichen JPG-Verarbeitung
Wertungspunkte ein.“ In die glei-
che Kerbe schlägt auch das PC
Magazin: RAW Top, JPG eher Flop.
In RAW gebe es dafür einen aus-
gezeichneten Dynamikumfang.
Da die Objektive zwar sehr teuer,
aber auch sehr scharf sind, kön-
nen sich Fotografen auf sehr gute
Ergebnisse freuen.
Die M10 gibt es
wahlweise auch
in Silber oder in
Schwarz ohne
roten Punkt – für
die Undercover-
Fotografen.
Das sagen die Kollegen ...
52,5 Punkte
„Mit dem RAW-Format liefert die M10 die hervorragende
Bildqualität, die wir von einer 6.500 Euro teuren Kamera
erwarten, mit JPEG nicht. Dass sie weiterhin auf die Video-
funktion verzichtet, dürfte für viele Leica-M-Anhänger un-
problematisch sein. Eine elektronische Fokushilfe im Sucher
wäre aber ein echter Mehrwert. Doch klar ist auch: Diese
Kamera soll ganz gewiss nicht mit einem guten Preis-
Leistungs-Verhältnis überzeugen, sie soll mehr sein als
nur Mittel zum Zweck. Es geht um das gute Gefühl, eine
Leica M in Händen zu halten, und das Fotografieren um
des Fotografierens willen.“ (Annette Kniffler)
Ausreichend
„Die Leica M10 punktet im Test mit ihrer hochwertigen Ver-
arbeitung und den zahlreichen Direkttasten sowie -rädern,
die vorrangig Profi-Fotografen zum Spielen einladen. Die
Bildqualität der DSLM überzeugt, schwächelt aber bei der
JPEG-Konvertierung und verliert dadurch erheblich Punkte.
Das gilt auch für Video-Modus und Autofokus, die in beiden
Fällen fehlen.“ (Moritz Wanke)
73%
„Das Wesentliche“, der Leitspruch des Herstellers. Und
etwas, was ihm mit der M10 so gut gelungen ist, dass man
eventuelle Unzulänglichkeiten und fast schon obszön hohe
Preise kaum mehr infrage stellt. Leica folgt mit der M10
diesem Credo konsequent. Kein Pragmatiker würde eine
Leica kaufen, rationalen Sinn macht das auf den ersten
Blick auch nicht. Aber es bewegt.“ (Carsten Mohr)
Das PhotoWeekly-Urteil
Das hat uns gefallen: Die Endnote trifft es ei-
gentlich genau: Leica baut eine Kamera, die das
Bedürfnis nach minimalistischer Fotografie tief
befriedigt und mit RAW-Bildern in Spitzenqualität
belohnt. Sie ist wunderschön, wertstabil, perfekt
verarbeitet und insgesamt eine sehr gute Leica.
Hier besteht Nachbesserungsbedarf: Bei all
der Romantik müssen wir aber doch mal anmer-
ken, dass der fehlende Videomodus nicht mini-
malistisch, sondern archaisch und die JPG-Ver-
arbeitung nicht stilvoll, sondern schwach ist.
Auch ein Autofokus stünde der M-Reihe gut.
Leica
M10
N 094
O
37/2019
befriedigend