Interview
KLAUS WOHLMANN
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„Ich halte fest,
was passiert!“
Klaus Wohlmann sprach mit PhotoWeekly über
Schattenwelten, Reisen mit dem Motorrad nach
Afrika und die Dinge, die gute Street-Fotografen
auszeichnen.
Interview: Ruben Schäfer
Klaus, du bist in vielen Berei-
chen aktiv und viel unterwegs.
Woran arbeitest du aktuell?
Im Moment widme ich mich mei-
nem Schattenwelten-Projekt, was
ich über Jahre hinweg betrieben
und immer weiter verfeinert
habe. Da höre ich natürlich nicht
auf, nur weil ich ein Buch ge-
macht habe. In einem neuen Pro-
jekt versuche ich, Geschwindig-
keit in der Langsamkeit zu zeigen
– zum Beispiel mit einem Mit-
zieher von Arbeitern, die Kartof-
felsäcke tragen. Außerdem plane
ich gerade die Fotoreisen für das
nächste Jahr.
Zur Person:
Klaus Wohlmann
arbeitet seit über
20 Jahren als
Künstler und Foto-
graf. Seine große
Leidenschaft ist
das Reisen in ferne
Länder. Zu seinem
Repertoire gehört
die Dokumentation
von Veranstaltun-
gen und Street-Fo-
tografie. Er hält
viele Vorträge und
gibt sein Wissen in
Workshops weiter.
klauswohlmann.com
Kommen wir zu deinem aktuel-
len Buch „Schattenwelten“ – was
möchtest du erzählen?
Im Prinzip ist das Street-Fotografie, also Bilder
von unterwegs, in der Stadt und auf dem Land. Die
Schattenwelt reduziert meine Eindrücke von dort
auf reine Schwarzweiß-Fotografie, wo die Men-
schen immer im Schatten sind. Die Schatten be-
kommen so eine Position, die sie sonst nicht hätten.
Entweder als Schatten-Wurf oder als Schatten-Riss.
Sony Alpha 9
mit Tamron
28-75 mm f/2.8
Aufnahme-Details:
f/8 | 1/200 s |
ISO 400
Nikon Z6
mit Tamron
24-70 mm f/2.8
Aufnahme-Details:
f/2,8 | 1/10 s |
ISO 250
Wie kamst du denn eigentlich zur Fotografie?
Begonnen hat das Ganze wie so häufig: Mein Vater
hat mir eine Kamera geschenkt und die habe ich
auf viele Reisen mitgenommen. Mit 16 bin ich dann
auf dem Mokick nach Marokko gefahren, und die
Reisen wurden dann eben immer länger, auch mal
drei Monate nach Indonesien. Ich bin immer viel
gereist. Ich war dann aber erstmal Künstler, Maler
und habe Performance-Stücke geschrieben.
Gab es dann so etwas wie ein initiales Projekt für
die Fotografie?
Kann man so sagen: Vor 12 Jahren habe ich mein
Motorrad gepackt und bin damit nach Togo gefah-
ren. Dort bin ich fünf Monate geblieben. Die Bilder,
die dabei entstanden sind, habe ich auch in einem
Bildband verarbeitet, der „Begegnungen Westafrika“
heißt. Ich habe dort jeden Tag Leute besucht und
getroffen, habe aber niemals als erstes ein Foto ge-
macht. Meine Herangehensweise sah so aus: Wir
haben uns getroffen, etwas gegessen, Kaffee getrun-
ken, dann habe ich denen ein Polaroid, also ein So-
fortbild, geschenkt. Und dann haben die meisten
von selbst gefragt, ob ich
nicht auch ein Bild für
„Und dann haben
mich machen möchte.
die meisten von
selbst gefragt,
ob ich nicht auch
ein Bild für mich
machen möchte.“
Wie ging es weiter?
Ich bin danach noch ein
paar Mal mit dem Mo-
torrad nach Afrika auf-
gebrochen, unter ande-
rem in den Kongo, wo
ich meinen ersten gro-
ßen Auftrag für die Gesellschaft für internationale
Zusammenarbeit umsetzen durfte. Ich habe deren
Projekte vor Ort fotografiert. Unter anderem habe
ich dort Menschen besucht, die ein Jahr zuvor in
Deutschland ein Stipendium bekommen haben. Ich
habe gezeigt, was sie heute machen.
Mit dem Motorrad von Köln nach Afrika – sind
Fotoreisen für dich immer ein Abenteuer?
Das muss nicht zwangsläufig sein. Ich finde aber,
dass Reisen, gerade für die Fotografie, ein biss-
chen entschleunigt werden muss. Selbst mit dem
Motorrad war ich völlig übermotorisiert. Als ich in
Burkina Faso war, habe ich mir da einfach ein bil-
liges Moped gekauft und bin dann in dem langsa-
men Tempo drei Monate umhergefahren. Durch die
Langsamkeit hat man eine ganz andere Wahrneh-
mung und schwimmt einfach mit.
Sony Alpha 9 mit
Tamron 28-75 mm f/4
Aufnahme-Details:
f/8 | 1/1000 s | ISO 200
Nikon D750 mit
Tamron 70-210 mm f/4
Aufnahme-Details:
f/7,1 | 1/1000 s | ISO 125
Deine Bilder sind ja von einem eigenen Stil geprägt:
Warum fotografierst du so und was reizt dich an
Schwarzweiß-Fotografie?
Die Schattenwelt habe ich tatsächlich ganz
schwarzweiß umgesetzt, ich bin in der Street-Foto-
grafie aber auch in Farbe unterwegs. Mich reizt an
der Street-Fotografie, dass ich das festhalte, was in
diesem Moment auf der Straße passiert. Ich habe
mal mit dem Käthe-Kollwitz-Museum zusammen-
gearbeitet, wo mir auffiel: Sie hat im Kern nichts an-
deres gemacht, nur hat sie das Pech gehabt, in ei-
ner schwierigen Zeit zu leben. Sie hat das Grauen
festgehalten, was um sie herum passierte. Mir geht
es auch nicht um die Leute an sich, sondern immer
um die Situation.
Wie gehst du an ein Street-Foto heran?
Ich begebe mich an eine Location, die mir gefällt,
stelle mich dort hin und beobachte erstmal – die
Kamera hole ich noch gar nicht heraus. Nehmen
wir an, da wird gerade eine Speise zubereitet: Dann
gehe ich dahin, spreche mit den Leuten, probiere,
nehme eine Portion und ziehe mich erstmal wieder
zurück und esse. Ich lobe die Leute dann für das Es-
sen und rede mit ihnen. Irgendwann frage ich dann,
ob ich ein Foto machen darf.
Du gibst zahllose Workshops:
Was zeigst du den Leuten?
Ein großes Thema ist natürlich Kommunikation;
wenn die Leute gut kommunizieren, können sie die
Bilder inszenieren und die Ergebnisse werden auto-
matisch besser. Mir geht es kein bisschen darum,
mit einer Festbrennweite irgendwo verstohlen an
einer Ecke zu stehen und Bilder zu machen, im Ge-
genteil. Ein zweites großes Thema ist, dass die Leu-
te sich Zeit nehmen sollen; deswegen biete ich aus-
gedehnte Reisen an. Wir haben vor kurzem eine
Tour nach Kalkutta gemacht, da gibt es dann jeden
Abend eine Bildbesprechung und von früh bis spät
Begleitung und Tipps – da tut sich einiges. Kameras
und Einstellungen sind weniger wichtig, die Motiv-
suche und die Bildideen sind das zentrale Element.
So entwickeln sich die Leute wirklich weiter.
Trotzdem macht man das Bild ja mit einer Kamera:
Was verwendest du?
Ich habe maximal zwei Objektive auf der Straße
dabei: Ein 24-70er f/2.8 von Tamron und eine Fest-
brennweite, zum Beispiel das 85mm f/1.8 von Tam-
ron. Mit einem anderen Objektiv muss man auch
immer anders schauen. Manchmal ärgere ich mich
dann und denke: „Hätte ich mal ein Weitwinkel mit“,
aber das ist dann eben so. Da setze ich auf Nikon,
verwende aber auch in letzter Zeit immer mehr die
Sony Alpha 9. Da kommen dann das 28-75mm und
das 17-28mm f/2.8 von Tamron zum Einsatz. Das
ist ein sehr schönes und leichtes System, aber die
Spiegelreflex hat auch noch ihre Vorteile.
Die Bewegung in der Langsamkeit festhalten – ein kleines
aktuelles Projekt von Klaus Wohlmann.
„Street-Fotografie muss gar nicht in der Stadt gemacht
werden“, sagt Wohlmann. Er hält einfach fest, was passiert.
Klaus Wohlmann