Die Streefotografie zählt zu den abwechslungsreichsten Fotogenres . Motive finden sich überall , doch wie entdeckt man sie ? Streetfotograf Ivan Slunjski öffnet dir die Augen .
Text und Bilder : Ivan Slunjski
Die Streetfotografie ist wohl das faszinierendste Genre in der Fotografie . Denn sie bietet Spannung , Abenteuer und befasst sich intensiv mit der Psychologie
des Menschen . Zudem ist diese Art der Fotografie unvorhersehbar , unplanbar und ungestellt . Außerdem bietet die Streetfotografie künstlerische Freiheit und man benötigt außer Zeit , ein bequemes Paar Turnschuhe und eine Kamera nicht viel mehr an Hilfsmitteln , um auf Motivjagd zu gehen .
Wie kein anderes Genre ist die Streetfotografie vielfältig . Sie ist
Zur Person :
Ivan Slunjski (* 1974 ) lebt mit seiner Familie in Frankfurt am Main , ist hauptberuflich in der IT-Branche tätig und baute sich als Quereinsteiger ein zweites Standbein als Reportage- und Hochzeitsfotograf auf .
filmpixel . photography verwandt mit dem Fotojournalismus und borgt sich Elemente aus der Porträt- , Architektur- , Landschafts- und Kunstfotografie . Sie hat tiefe , geschichtlich interessante Ursprünge und bietet dennoch reichlich Platz für zeitgenössische Interpretationen . Das sind gleich mehrere Gründe , um sich mit diesem Thema zu befassen und zu versuchen , einen leichten Einstieg zu finden .
„ Vergiss augenblicklich alles , was du je über Streetfotografie gelesen hast .“
Tipp 1 : Denke nicht nach
Mein allererster Tipp für die Praxis auf der Straße ist so simpel , dass es fast schon zu selbstverständlich klingt . Mache es wie Charles Nègre . Denke nicht über Streetfotografie nach . Vergesse augenblicklich alles , was du je darüber gelesen hast . Fokussiere dich stattdessen auf die Grundlagen der ( Street- ) Fotografie : � Suche dir interessante Menschen auf der Straße und begegne ihnen wertschätzend . � Suche nach einer ansprechenden Hintergrundkulisse – was gefällt dir persönlich am besten ? Die gelbe Hauswand , das leuchtende Reklameschild oder doch lieber der große , weite Platz mit den kleinen Bäumen mittendrin ? Du entscheidest ! � Halte nach schönem Licht Ausschau . Es muss nicht wahnsinnig viel Licht sein , aber die Qualität sollte stimmen . � Nutze besondere Bildkompositionen , vielleicht auch ungewohnte Blickwinkel und Perspektiven . � Und verpasse nicht den „ entscheidenden Moment “, denn es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck .
Tipp 2 : Aller Anfang ist schwer
Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht . In der Großstadt und auf der Straße kann es manchmal auch so sein . Gerade dann , wenn die Stadt vielleicht zu belebt ist , kann es passieren , dass man oft gar nicht weiß , was man fotografieren soll . Da hilft es , sich auf ein einziges Motiv zu konzentrieren . Zum Üben mache ich es mir oft zur Regel , an einem Tag nur „ Regenschirme “ oder nur „ Schatten “ oder nur eine bestimmte Farbe zu suchen . Das ist so wie das neue gelbe Auto , das man sich gekauft hat . Erst wenn man ein gelbes Auto fährt , fällt einem auf , wie viele gelbe Autos es sonst noch auf der Straße gibt . Es hilft auch , das Motiv „ aufgeräumt “ zu fotografieren . Mache dir negativen Raum („ negative space “) zunutze . Stelle das Hauptmotiv vielleicht nicht in die Bildmitte , sondern einfach in die Ecke des Bildes . Bleibe bei einer Linie in der Bildgestaltung . Und bleibe bei diesem Suchspiel : Ein Tag = ein Motiv !
„ In der Streetfotografie ist die Quote an vorzeigbaren Bildergebnissen relativ schlecht . Zufall lässt sich eben nicht sehr gut planen .“
Tipp 3 : Qualität vor Quantität
Unsere heutige Zeit wird nicht ohne Grund als schnelllebige und rasante Autobahn beschrieben . Sowohl in den sozialen Medien als auch in allen wissenschaftlichen oder gesellschaftlichen Lebensbereichen entwickeln sich die Erwartungen an Erfolge zunehmend dramatisch . Lieferdienste , Online- Versandhäuser und generell die Digitalisierung tragen leider dazu bei , dass wir oft sofort Ergebnisse erwarten . In unserem fotografischen Alltag kann sich diese „ Mikrowellen-Mentalität “ ebenfalls einschleichen . Eine Aktion = ein Erfolg .
Dass bei dieser Haltung eine Enttäuschung und womöglich die frühzeitige Aufgabe vorprogrammiert sind , liegt wohl auf der Hand . Denn gerade in der Streetfotografie ist die Quote an vorzeigbaren Bildergebnissen im Vergleich zu anderen Genres relativ schlecht . Zufall lässt sich eben nicht sehr gut planen . Und die Natur der analogen Fotografie hat nun mal ( zum Glück ) auch ihr eigenes Tempo . Daher sollte die Erwartungshaltung und vor allem die Geduld der eigenen Lernkurve gegenüber angepasst werden . Ich will dich ermutigen : Es lohnt sich , geduldig dranzubleiben und regelmäßig über einen längeren Zeitraum dieses Genre zu erkunden .
Meine persönliche Erwartungshaltung an einen Tag auf der Straße ist simpel : Aus einer KB Rolle Film erwarte ich ein einziges Bild , das ich nicht verwerfe und aus fünf KB Rollen Film hätte ich gerne ein Foto für mein Portfolio . Wenn ich auch nur ein Bild aus fünf KB Rollen Film so gut finde , dass ich mir dieses Foto eingerahmt an die eigene Wand hängen würde , bin ich schon glücklich .
Diesen Artikel findest du auch in der neuesten Ausgabe der PhotoKlassik – das Magazin für aktuelle analoge Fotografie : Neue und gebrauchte Kameras , Filme , Entwickler , Fotopapiere , fundiertes Dunkelkammer-Know-how , … vom Albumindruck bis zum Zonensystem .