PhotoWeekly Extrablatt MPB: Günstig zur perfekten Fotoausrüstung | Page 18
EXTRABLATT INTERVIEW 18
Konzertfotografin Jill Furmanovsky
In ihrer legendären 50-jährigen Karriere hat die Musikfotografin Jill Furmanovsky die größten Künstler: innen und Bands der Welt fotografiert.
Fotos: Jill Furmanovsky
In diesem Interview spricht Jill Furmanovsky mit MPB über ihre
� „ Chic“ von Jill Furmanovsky
beeindruckende, ein halbes Jahrhundert währende Karriere, ihre Lieblingsbilder und darüber, wie sich die Fotobranche seit den 70er-Jahren verändert hat. Lies weiter, um mehr zu erfahren.
Herzlichen Glückwunsch zu fünfzig Jahren Musikfotografie, das ist eine bemerkenswerte Leistung. Hättest du jemals gedacht, dass du eine solch lange Karriere haben würdest, als du vor all den Jahren im Rainbow Theatre in Finsbury Park angefangen hast?
Damals habe ich gar nichts gedacht, ich habe einfach die Chance ergriffen, in einem Bereich, den ich liebe, als Fotografin tätig zu werden. Als ich anfing, war mein einziger Wunsch, genug Geld zu verdienen, dass ich auf ewig weitermachen könnte – und jetzt ist die Ewigkeit da!
Deine bevorzugte Kameraausrüstung muss sich im Laufe der Jahre verändert haben – kannst du uns sagen, womit du gerade fotografierst?
Zur Zeit fotografiere ich mit einer Leica M10-P zusammen mit einem 50mm und einem 35mm. Ich benutze immer noch meine alte Canon EOS 5D und die dazugehörigen Objektive, aber ich muss diesen Teil meiner Ausrüstung aktualisieren. Meiner Meinung nach ist die beste Kamera die, mit der man vertraut ist, so dass man einfach loslegen kann, um zu fotografieren.
In der frühen Filmzeit habe ich die Pentax Spotmatic und dann die Nikon FE benutzt. Danach habe ich die Nikon F4 und dann die Nikon F5 benutzt, bevor ich 2005 der Digitaltechnik erlegen bin. Damals wechselte ich zu Canon – aber nur, weil sie damals Nikon etwas voraus waren. In der Film-Ära habe ich private Bilder mit einer Leica M6 aufgenommen und im Studio mit einer Hasselblad 500C gearbeitet. Auch mit Olympus- Kameras habe ich einige gute Aufnahmen gemacht. Jetzt sollte ich es vielleicht mal mit Fujifilm oder Sony versuchen, auf jeden Fall mit einer spiegellosen Kamera. Die Kameramarke ist für mich weniger wichtig, als dass ich die Sprache der jeweiligen Kamera beherrsche.
Was sind die größten Veränderungen, die du im Laufe der Jahre vorgenommen hast, um dich an das digitale Zeitalter anzupassen?
Es war und ist immer noch eine große Lernkurve. Bevor ich mich Digitalkameras gewidmet habe, habe ich Photoshop und die Möglichkeit, wunderschöne archivarische Tintenstrahldrucke herzustellen, für mich entdeckt. Für mich
� „ Amy Winehouse“ von Jill Furmanovsky war das die Revolution.
Dass das Motiv sehen kann, was man tut, während man arbeitet, hat psychologische Vor- und Nachteile. In mancher Hinsicht ist das digitale Zeitalter unglaublich, in anderer Hinsicht hat es Aspekte der Kreativität getötet, indem es die Dinge zu einfach gemacht und damit abgewertet hat. Die Leica, die ich jetzt benutze, verlangsamt mich – das mag ich daran. Auch weniger Bearbeitung. Es ist unvermeidlich, dass sich die Technik über einen Zeitraum von 50 Jahren verändert – es bringt nichts, sich dem zu verweigern.
Gibt es Künstler: innen, die du fotografiert hast und die du als Favorit: innen bezeichnen würdest? Oasis waren wahrscheinlich meine Favoriten. Sie haben Nähe zugelassen, und es war eine verrückte Ära, also eine großartige Kombination. Außerdem war ich zu der Zeit, als ich mit ihnen arbeitete, schon so erfahren, dass ich alles aufnehmen konnte. Nichts konnte mich aus der Ruhe bringen.
Was würdest du sagen, ist der
� „ Oasis“ von Jill Furmanovsky beste Ratschlag, den du während deiner Karriere erhalten hast? „ Microphen, 68 Grad, neuneinhalb Minuten!“ Das rief der große Fotograf Michael Putland über ein Schlagzeugsolo hinweg, als wir im Rainbow Theatre im Fotograben waren. Das war die Antwort auf meine Frage: „ Wie erhöhst du die Geschwindigkeit deines Films?“. Damals war es Tri-X oder HP5, und man konnte nicht viel höher als 1.600 ASA [ ISO ] gehen. Wenn ich daran denke, dass moderne Kameras mit ASAs von 26.000 und mehr arbeiten können, dann bin ich sprachlos!
Was rätst du aufstrebenden Musikfotograf: innen, die es in der Branche schaffen wollen?
Es gibt
nicht viel Branche, in der man es „ schaffen“ kann. Das ist die erste Hürde. Vielleicht musst du dir deine eigene Branche aufbauen. Kurz gesagt würde ich sagen, dass man einfach lernen sollte, gut zu fotografieren – sehr gut zu fotografieren. Und im digitalen Zeitalter solltest du auch lernen, wie man bewegte Bilder und Tonaufnahmen macht. Folge dem, was dich anspricht und sieh, was auf dich zukommt.
Dein bemerkenswertes Archiv umfasst sowohl Porträtals auch Konzertaufnahmen – was magst du lieber?
Meine erste Liebe waren Aufnahmen von Live-Auftritten, und ich liebe es
� „ Grace Jones“ von Jill Furmanovsky immer noch, Konzerte zu fotografieren. In diesem schmalen Streifen zwischen Publikum und Band zu stehen, ist wie eine Meditation. Es ist ein Privileg, und man muss mit niemandem reden. Andererseits ist die Aufnahme eines Porträts eine Möglichkeit, echte Intimität mit völlig Fremden zu erleben, die nur ein paar Sekunden dauert. Das ist sehr beeindruckend.
Was treibt dich an, weiterzumachen, nachdem du schon so viel erreicht hast?
Es ist die unvorhersehbare Abenteuerlust, die mich an der Fotografie immer wieder begeistert. Was mir keinen Spaß macht, ist das nachträgliche Bearbeiten von Unmengen an Material am Computer. In meinem Archiv gibt es einen riesigen ungesehenen Rückstau. Die Retrospektive und die Dokumentarfilmprojekte haben mich dazu gezwungen, innezuhalten und Material zu sichten, das ich seit Jahren nicht mehr gesehen habe. Manches davon ist eine Offenbarung, und es ist spannend. Aber nichts ist damit zu vergleichen, wie ein Adler auf der Jagd zu sein!
� „ Pink Floyd“ von Jill Furmanovsky
Die Musik- und Konzertfotografie sind – wie die professionelle Fotografie im Allgemeinen – eine oft von Männern dominierte Branche. War es für dich in den 70er-Jahren schwieriger, den Durchbruch zu schaffen?
Der Beruf ist jetzt
viel weniger von Weißen und Männern dominiert. Und es wurde auch Zeit. In den 70er-Jahren habe ich festgestellt, dass es einige Vorteile hat, eine Frau zu sein – aber auch Nachteile. Genauso schwer, und das hat nichts mit meinem Geschlecht zu tun, war es, jung und unerfahren zu sein. Du wurdest nicht ernst genommen.
Es gab schon immer ein paar Einzelfälle, die die berüchtigte gläserne Decke durchbrochen haben oder sich – äquivalent dazu – über Barrieren durch die Herkunft oder andere Vorurteile hinweggesetzt haben. Das sind die Menschen, die bei den Desert Island Discs [ Radiosendung der britischen Rundfunkanstalt BBC ] interviewt werden, und sie kommen aus allen Berufen und allen Gesellschaftsschichten.
Was steht für dich nach fünfzig Jahren in der Branche als nächstes an?
Ein Dokumentarfilm über meine Arbeit steht kurz vor der Fertigstellung, es ist also an der Zeit, zurückzublicken und die letzten 50 Jahre zu feiern. Ich bin sehr glücklich, dass ich diesen Berufsweg einschlagen konnte.