PhotoWeekly Extrablatt MPB: Günstig zur perfekten Fotoausrüstung | Page 20
EXTRABLATT STREETFOTOGRAFIE 20
10 Tipps für bessere Straßenporträts
Auf den ersten Blick mag die Idee der Straßenporträtfotografie widersprüchlich erscheinen. Doch Simon Murphy beweist mit seinen Bildern das Gegenteil und hat zehn Tipps für dich.
Fotos: Simon Murphy
Die Kombination von traditionellen Schnappschüssen der Streetfotografie und gestellter Porträtfotografie mag bei manchen Kopfschütteln auslösen. Die Straßenporträtfotografie hat jedoch Vorteile, die die üblichen Nachteile der Streetfotografie ausgleichen.
Straßenporträtfotograf: innen können Probleme der Offenheit und des Einverständnisses vermeiden, indem sie die Personen vorher um Erlaubnis fragen. Mit alternativen Techniken der Streetfotografie und Menschenkenntnis können Fotograf: innen dennoch die Faszination interessanter Persönlichkeiten erhalten.
Wie fängt man mit Straßenporträts an? MPB hat Simon Murphy, einen preisgekrönten Streetfotografen mit mehr als 20 Jahren Erfahrung, um Rat gebeten. In diesem Artikel erkunden wir den kreativen Prozess des Fotografierens fremder Menschen in ihrem Alltag – von der Annäherung an die Menschen über das Bitten um Erlaubnis und die Bildkomposition bis hin zu Ehrlichkeit und Geduld.
01 Nimm dir Zeit für einen Spaziergang
Ein großer Teil meiner Arbeit besteht darin, durch die Straßen zu gehen und zu sehen, was sich entwickeln könnte. Ich bin sehr offen für zufällige Begegnungen und glaube, dass besondere Momente entstehen, wenn man sich auf diese Weise öffnet. Wenn ich unterwegs bin, arbeite ich auch an mir als Mensch. Die Fotografie hat mein Leben so positiv verändert, dass ich auch meine Projekte so positiv wie möglich gestalten und gleichzeitig die raue Wirklichkeit einfangen möchte. Wenn ich unterwegs bin, gerate ich in eine Art meditativen Zustand, in dem ich mehr wahrnehme.
02 Überlege, warum dich ein Motiv anspricht
Mein Hauptinteresse gilt den Menschen, ich sehe jemanden und es gibt eine innere Reaktion, die ich aufschreibe. Was habe ich bemerkt? Warum hat diese Person diese Reaktion in mir ausgelöst? Diese Fragen stelle ich mir in Millisekunden und frage mich: Was mag ich an diesem Menschen? Ich weiß, das klingt dramatisch, aber ich habe Sekunden, um den Mut aufzubringen, diese Person anzusprechen.
03 Echtes Interesse zeigen und Geduld haben
Der Trick ist, echtes Interesse zu zeigen – was natürlich kein Trick ist, es muss echt sein – und dem Ganzen Zeit zu geben. Viele Fotograf: innen, die den Mut haben, jemanden anzusprechen, vermasseln es in dieser Phase. Sie gehen mit Bedauern nach Hause, weil sie zu
schnell gehandelt haben. Wenn die Person dem Bild zustimmt, geraten Fotograf: innen manchmal in Panik und denken, dass der Prozess für die Person unangenehm ist. Wenn eine Person einwilligt, fotografiert zu werden, hat sie mir ein Geschenk gemacht. Ich möchte die bestmögliche Arbeit für diese Person machen, weil ich ihr das Geschenk, das sie mir gemacht hat, zurückgeben möchte. Ich möchte, dass ihr das Bild und die Erfahrung gefällt. Wenn eine Person zustimmt, ist das für mich der Moment, in dem ich durchatme und langsamer werde. Dann kann ich mich vergewissern, dass der Hintergrund stimmt. Ich kann mich vergewissern, dass die Position des Körpers im Verhältnis zum vorhandenen Licht richtig ist, um die bestmögliche Darstellung zu erreichen. Ich glaube, die Leute spüren die Sorgfalt und entspannen sich.
04 Bitten, in die Kamera zu schauen Ich finde den Blickkontakt sehr wichtig. Er gibt den Betrachter die Möglichkeit, der porträtierten Person in die Augen zu schauen. Und es entsteht der Eindruck eines unausgesprochenen Gesprächs.
05 Kontaktdaten austauschen und Person erneut treffen Das Porträt von Seamus( siehe oben) weicht etwas von meiner üblichen Vorgehensweise ab. Normalerweise fotografiere ich Menschen so, wie ich sie vorfinde – aber Seamus habe ich schon zum zweiten Mal fotografiert. Das erste Mal habe ich Seamus in einem Park getroffen. Ich bekam seine Instagram-Daten, damit ich ihm die Bilder schicken konnte. Als ich erfuhr, dass er ein Künstler ist, der wirklich interessante Kostüme macht, habe ich mich wieder mit ihm verabredet. Dieses Kostüm war Seamus‘ Interpretation einer riesigen Ratte. 06 Ziehe regelmäßig los
Um Bilder zu machen, auf die man stolz sein kann, muss man rausgehen. Straßenporträts entstehen nicht von selbst. Deshalb ist es wichtig, dass du dir regel- mäßig Zeit zum Fotografieren nimmst. Lass dein Handy am besten zu Hause oder in der Tasche. Es stört zu leicht deine Konzentration.
07 Wähle die richtige Kameraausrüstung
Normalerweise nehme ich meine Kamera nicht überall mit hin. Ich muss mit dem einzigen Ziel losziehen, zu fotografieren. Zweifellos verpasse ich tolle Aufnahmen, wenn ich nicht immer eine Kamera dabei habe. Aber da ich mit einer Mittelformat-Filmkamera, der Mamiya RZ 67, auf einem großen Stativ fotografiere, wäre es schwierig, sie überallhin mitzunehmen. Mein bevorzugtes Objektiv ist eine 127-mm-Optik. In letzter Zeit fotografiere ich mit einer Fujifilm GFX 50S, die ich sehr schätze. Ich beschneide das Bild auf ein Format von 6x7 cm und habe das Gefühl, mit meiner alten, treuen Analogkamera zu fotografieren. Die Qualität der Fujifilm ist unglaublich, und ich liebe die Voreinstellungen für die Filmsimulation.
08 Merke dir die Orte Unterwegs zu sein ist nie Zeitverschwendung, auch wenn ich kein Porträt bekomme. Oft fallen mir interessante Wände oder Hintergründe auf. Wenn ich das nächste Mal unterwegs bin und sich jemand für ein Porträt bereit erklärt, habe ich wahrscheinlich schon einen passenden Hintergrund im Kopf – und bin nur ein paar Schritte davon entfernt.
09 Nutze Tageslicht und Schatten Ich fotografiere immer mit Tageslicht, wenn ich auf der Straße fotografiere. Wenn ich das Licht nicht kontrollieren kann, kontrolliere ich die Position und die Haltung des Motivs zum Licht, um das Beste aus der Natur herauszuholen. Meistens fotografiere ich im Schatten, damit die Porträts einheitlich wirken. 10 Verlasse deine Komfortzone Die besten Dinge im Leben passieren außerhalb der eigenen Komfortzone. Ich glaube wirklich daran, und ich habe die Ergebnisse gesehen, wenn ich ein bisschen weiter gehe.